Weil Spieler*innen das Geschehen prägen: Videospiele sind nicht einfach in Genres einzuteilen

Videospiele gehören heute zu den wichtigsten Medienprodukten. Genreeinteilungen kennen wir aus der Film- und der Literaturbranche: Wer es gruselig mag, greift zu Horror; wer Herzerwärmendes sucht, greift zur Romantik. Beim Videospiel sei diese Genrezuordnung nicht immer so einfach zu übernehmen, konstatiert Felix Schniz, Forscher im Bereich Game Studies. Er hat kürzlich sein Buch „Genre und Videospiel. Einführung in eine unmögliche Taxonomie“ bei Springer veröffentlicht. 

„Wollen wir vernünftig mit dem Medium Videospiel umgehen, dürfen wir die Genre-Begriffe, die wir aus der Literatur und dem Film kennen, nicht einfach übernehmen“, stellt Felix Schniz fest. Er arbeitet am Institut für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Klagenfurt im Forschungsbereich Game Studies. Der Hauptunterschied zu anderen Medienformaten liege in der Interaktivität: „Im Videospiel hat der Spieler oder die Spielerin einen großen Einfluss auf das Geschehen.“ Besonders augenfällig sei dies bei großen und weiträumigen Videospielen, so genannten ‚Open World‘-Titeln. Dort bekommen Spieler*innen oft viele Möglichkeiten geboten, ihre Abenteuer individuell auszugestalten. So könne man bei einem Actionspiel zwar auf viele Abenteuerszenarien, Schießereien und Verfolgungsjagden stoßen, mitunter könne es aber auch nachdenkliche Szenen geben, bei denen ausgeklügelte Entscheidungen der Spieler*in erforderlich seien. Das Spiel legt einen erzählerischen Rahmen fest, doch wie dieser gefüllt wird – ob man in der großen ‚Open World‘ vielleicht gewisse Passagen ignorieren, andere dafür häufiger erleben möchte – liegt in der Handlungsmacht der Spieler*innen. Zusätzlich unterscheiden sich Videospiele von Literatur und Film, in dem sie Menschen innerhalb des Mediums zusammenbringen. Felix Schniz erläutert dazu: „Bei diesen Multiplayerspielen hat auch das Verhalten meiner Mitspieler*innen einen Einfluss darauf, wie ich ein Genre wahrnehme.“

Felix Schniz betrachtet Videospiele mit Hilfe des theoretischen Konzepts eines objet ambigu. Dieses philosophische Gedankenspiel geht von einem Gegenstand aus, der niemals klar einer Bedeutung zugeordnet werden kann. Jede Annäherung an den Gegenstand mündet daher in einer Aussage über den Betrachter bzw. die Betrachterin. „Videospiele sind für mich solche objet ambigus, die statt fester Aussagen einen Raum für Potential schaffen. Als Spieler*in gestalte ich diesen Raum mit. Das Geschehen in einem Spiel ist also genauso wie dessen Wesen fluid. Dieses Konzept passt nicht zu Genretaxonomien, wie wir sie bei anderen Medien kennen“, stellt Felix Schniz fest.

Genreeinteilungen seien dennoch, so Schniz weiter, für das Marketing und die Kommunikation über Spiele wichtig. Dennoch gebe es in den Spielercommunities immer mehr kreative Wege, mit Videospielen umzugehen. Besonders viel Spielraum bieten große Videospiele, die ihren Spieler*innen viele Handlungsoptionen offenlassen.

Schniz, Felix (2020). Genre und Videospiel. Einführung in eine unmögliche Taxonomie. Heidelberg: Springer: https://www.springer.com/de/book/9783658272432#aboutBook.


Die Universität Klagenfurt bietet das Masterstudium Game Studies and Engineering an. Das Studium, für das man ein Aufnahmeverfahren durchlaufen muss, wird vollständig in englischer Sprache unterrichtet und richtet sich an Studierende, die sowohl an der (technischen) Entwicklung von Spielen als auch an analytischen und ethischen Aspekten von Video- und anderen Spielen interessiert sind. Aktuell läuft die Anmeldefrist für das Aufnahmeverfahren. www.aau.at/master-gse