Thomas Brandauer | Foto: aau/Müller

Was Sport alles kann: Zuerst der Flow, dann das Glück

Wir haben mit dem Sportpsychologen Thomas Brandauer darüber gesprochen, was den Flow-Effekt im Sport auszeichnet und wie sich dieser auf die Leistung von SpitzensportlerInnen auswirkt. Seine Expertise bringt er unter anderem im Projekt „Spitzensport und Studium“ ein, das derzeit wieder bildungsinteressierte und erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler aufnimmt (Bewerbungsfrist: 17. Mai). Das Flow-Phänomen ist aber nicht nur HochleistungssportlerInnen vorbehalten, sondern kann – bei entsprechenden Bedingungen und hinreichendem Training – auch beim Laufen am Lendkanal, beim Schwimmen im Wörthersee oder beim Slacklining im Europapark erreicht werden.

Warum machen Menschen Sport?

Das kann man nie monokausal erklären. Ganz grundsätzlich ist es wohl so, dass die positiven Gefühle während einer Tätigkeit, aber auch die erwarteten Glücksgefühle nachher, ein starker Attraktor sind. Das wird oft mit der simplen Antwort „Weil es mir Spaß macht“ zusammengefasst. Im Leistungssport kommt hinzu, dass die Option auf das Gewinnen zusätzlich anziehend wirkt, aber generell scheint das Gefühl, etwas körperlich geschafft zu haben, erstrebenswert zu sein.

Sie haben sich in zahlreichen Studien mit dem Flow-Effekt beschäftigt. Wie lässt sich dieses Phänomen beschreiben?

Durch ein hochkonzentratives Aufgehen in einer Tätigkeit wird das Nachdenken über sich selbst reduziert und man erlebt sich „ganz da“ und „ganz im Moment.“ Die situativen Bedingungen sind dabei so fordernd, dass die Aufmerksamkeit allein auf eine bestimmte Tätigkeit fokussiert ist. Um in den Flow-Zustand zu kommen, muss man ein gewisses Fertigkeitsniveau mitbringen. Nehmen wir das Beispiel Klettern: Als Anfängerin und Anfänger mache ich noch so viele Fehler, dass es mir gar nicht gelingen kann, in dieser Tätigkeit stark aufzugehen. Habe ich allerdings schon ein entsprechendes Können, das ich systematisch mittels Training entwickelt habe, und sind die Bedingungen entsprechend fordernd, kann es zu dieser Form der Verschmelzung mit der Tätigkeit kommen. Wichtig sind dabei auch die Rückmeldungen, die ich zur Aktivität bekomme: Wenn ich sehe, dass etwas klappt, unterstützt dies den Flow-Effekt. Oft hat dann auch die Zeitwahrnehmung eine ganz eigene Qualität: Ein Moment kann in Zeitlupe, andererseits aber auch eine Stunde wie ein einzelner Moment vergehen.

Ist man im Flow-Zustand glücklich?

Nein, man ist so damit beschäftigt, die Anforderungen zu bestehen, dass für ein Glücksgefühl gar kein Platz ist. Der Zustand ist aber emotional positiv hinterlegt und eine Flow-Erfahrung kann einen sehr intensiven Glückszustand – zeitlich verzögert – nach sich ziehen.

Braucht es sportliche Aktivität, um diesen Flow-Zustand zu erreichen, oder klappt das auch mit ganz anderen Tätigkeiten?

Der Flow-Effekt wurde erstmals vom Arbeitspsychologen Mihalyi Csikszentmihalyi beschrieben, der verschiedene Tätigkeitsfelder unter diesem Aspekt untersucht hat. Beispielsweise können auch Chirurginnen und Chirurgen bei Operationen schnell in einen Flow-Zustand kommen. Es handelt sich dabei ja um eine hochkonzentrative Tätigkeit mit hohen Anforderungen, die mit gut trainierten Fertigkeiten erfüllt werden. Das ist höchstwahrscheinlich auch der Grund dafür, dass viele ChirurgInnen süchtig nach dem Operieren werden. Momentan arbeite ich auch mit dem Inspire Lab zusammen, das als Kreativlabor die Entwicklung innovativer Geschäftsideen fördern möchte. Auch hier wollen wir schauen, ob bei solchen kreativen Prozessen Flow-Effekte erreicht werden können. Von Interesse ist auch, ob die Flow-Effekte in dem Bereich zu besseren Leistungen führen können.

Apropos Leistung: Ist der Flow-Zustand für Spitzensportlerinnen und –sportler leistungsfördernd?

Das versuchen wir gerade mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Salzburg und dem ÖSV herauszufinden. Dahinter steht die wissenschaftliche Fragestellung: Welcher Leistungszustand ist förderlich für den Spitzensport? Wir sehen, dass es hier große individuelle Unterschiede gibt. Der eine ist im Flow-Zustand, in dem sich scheinbar alles spielerisch fügt und ideal abläuft, erfolgreich; der andere braucht dafür den so genannten Clutch-Zustand, der von starker Kontrolle, einem Sich-Selbst-Pushen und sehr präsentem Ich-Bewusstsein geprägt ist.

Kann man diesen Zustand bewusst verändern?

Das wollen wir gerade herausfinden. Wie kann man Strategien entwickeln, dass man zum einen weiß, welcher Zustand für einen selbst optimal ist, um herausragende Leistungen zu erbringen? Und wie kann man möglicherweise bewusst den einen oder anderen Zustand herbeiführen?

Lässt sich der Flow-Zustand im Gehirn nachweisen?

Für den Sport ist das schwierig umzusetzen, aber mit Computerspielen konnte man hirnphysiologisch zeigen, dass im Flow-Zustand der frontale Kortex weniger arbeitet, dafür spielt sich mehr Aktivität im motorischen und sensorischen Kortex ab. Es scheinen auch mehr Bereiche im Gehirn aktiv, die für automatisierte Abläufe verantwortlich sind. Darin liegt auch eine besondere Herausforderung für den Spitzensport: Wenn man schlechte Leistungen bringt, beginnt man zu analysieren. Das Analysieren zerstört aber die automatisierte Bewegung. Beispielsweise beim Schispringen ist es besonders schwierig, aus diesem Kreislauf wieder herauszukommen.

Zurück zum Breitensport: Welche Sportarten sind besonders flow-versprechend?  

Idealtypisch sind Schifahren und Klettern, weil diese Sportarten so eine unmittelbare Rückmeldung zu meinem Handeln geben. Klettern verspricht zusätzlich immer Abwechslung, weil es konstant neue Probleme zu lösen gilt. In meinen Lehrveranstaltungen zum Flow-Phänomen haben Studierende in den vergangenen Jahren einige Sportarten untersucht, hinzugekommen sind auch einige Masterarbeiten: Slacklining, Langstreckenschwimmen, Parcoursrennen sind einige davon, aber auch beim Laufen sind Flow-Erlebnisse möglich. Beim Laufen muss man aber gegenüber dem Runner’s High, auch Laufrausch genannt, unterscheiden: Dort geht es um Zustände, die hormonell durch die Ausschüttung von Endorphinen und Endocannabinoiden bedingt sind. Die Hormone wirken euphorisierend und schmerzstillend. Der Flow ist aber weniger rauschartig. Dort geht es um das hochkonzentrative Aufgehen in der Tätigkeit.

Zur Person

Thomas Brandauer ist Sportpsychologe, Biofeedbacktherapeut und staatlich geprüfter Trainer für Sportklettern. Er berät und betreut Einzel- und MannschaftsportlerInnen bei individuellen sportpsychologischen Problemstellungen in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportmedizin des Landes Kärnten. Am Universitätssportinstitut USI leitet er das Projekt „Sportpsychologie“ sowie – gemeinsam mit Franz Preiml – das Projekt „Spitzensport und Studium“. Zusätzlich lehrt Thomas Brandauer im Masterstudium Psychologie zu sportpsychologischen Fragen.

Spitzensport und Studium

Das Projekt „Spitzensport und Studium“ an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt ist vorbildhaft in Österreich und hat das Ziel Spitzensportlerinnen und Spitzensportler, die an der Universität studieren, umfassend auf administrativer, ideeller und sportlicher Ebene zu unterstützen. Die Überschaubarkeit sowie der Charme des Standorts Klagenfurt einerseits, die engen Kooperationen mit sportlichen Betreuungseinrichtungen des Landes andererseits, bieten perfekte Bedingungen. Eine bestmögliche Leistungsentwicklung sowohl im akademischen als auch im sportlichen Bereich wird angestrebt. Das Angebot richtet sich an erfolgreiche und bildungsmotivierte Sportlerinnen und Sportler aus Sommer- oder Wintersportarten.

Das Aufnahmeverfahren für das Projekt findet einmal jährlich statt. Bewerbungsende für das kommende Jahr ist der 17. Mai 2019 Mehr Infos.

Neu ab Wintersemester 2019/20: Lehramt „Bewegung & Sport“

Ab dem Wintersemester 2019/2020 kann man in Klagenfurt im Rahmen des Lehramtsstudiums auch das Unterrichtsfach Bewegung und Sport studieren. Das Studium wird im Verbund mit der Pädagogischen Hochschule Kärnten angeboten; ein weiterer Partner ist die Universität Graz. Weitere Infos