Warum brauchen wir noch immer einen Weltfrauentag? Und wann werden wir keinen mehr brauchen?

Seit 1975 wird jährlich am 8. März der Weltfrauentag begangen. Wir wollen am diesjährigen Weltfrauentag Universitätsmitarbeiter*innen aller Geschlechter zu folgenden Fragen zur Wort kommen lassen: Warum brauchen wir noch immer einen Weltfrauentag? Und wann werden wir keinen mehr brauchen?

Solange der Gedanke noch herumschwirrt, technische Studien seien eher was für Männer, brauchen wir einen Weltfrauentag.
Solange der Gedanke noch herumschwirrt, es sei etwas Besonderes, dass eine Frau als Mathematiker:in arbeitet, brauchen wir einen Weltfrauentag.

Michaela Szölgyenyi (Institut für Statistik)



Michaela Szölgyenyi | Foto: Karlheinz Fessl



Shafie Shokrani | Foto: KK

Wie ein Künstler, der eine Szene aus der Welt einrahmt, damit sie im Gewirr des Alltags nicht übersehen und vergessen wird, lenkt der Weltfrauentag die Aufmerksamkeit auf ernstzunehmende Tatsachen, die sonst untergehen könnten. Er, wie auch die Tage, an denen andere Gendern gefeiert werden, können also nie redundant werden, da der menschliche Verstand auch nicht imstande ist, die wichtigen Aspekte der Menschlichkeit dauerhaft im Blick zu behalten.

Shafie Shokrani (Institut für Didaktik der Mathematik)

Wir brauchen einen Weltfrauentag, weil

  • Frauen endlich gleich viel verdienen müssten wie Männer bzw. im Bundesdienst WIRKLICH die gleiche CHANCE für höher eingestufte Arbeit bekommen sollten
  • Frauen aufgrund von Kindern/zu pflegenden Eltern etc. in Teilzeit arbeiten (müssen)
  • Frauen an Schönheitsidealen gemessen werden, die einer diffusen Heteronormativität geschuldet sind
  • Mädchen sich zu Tode fasten, weil sie so schön wie … sein wollen
  • So viele Frauen von ihren männlichen Partnern umgebracht werden
  • Frauen beschnitten werden
  • Mädchen und jungen Frauen der Zugang zu Bildung verwehrt wird
  • Frauen nicht katholische Priesterinnen werden können

Und es an der Uni Klagenfurt noch nie eine REKTORIN gegeben hat!

Lydia Zellacher (Universitätsbibliothek)



Lydia Zellacher | Foto: KK



Priska Buchner | Foto: photo riccio

Kürzlich begegnete mir die neue Begriffsprägung FLINTA*
Wie viel Ausdifferenzierung ist noch nötig, bis wir endlich begreifen, dass wir alle unterschiedlich sind, jede/r besonders, niemand gleich wie der andere und deshalb grundsätzlich gleich wertvoll, jede/r die gleiche Wertschätzung verdient und niemand aufgrund seiner Verschiedenheit benachteiligt werden sollte?
Ganz entgegen der eigentlichen Intention ist dieses Immer-weiter-Unterscheiden und -Benennen unserer unendlichen Verschiedenheiten vielleicht sogar ein Beispiel und eine Verstärkung für das, was das moderne, westliche „Trennungsparadigma“ genannt wird.

Priska Buchner (Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung)

Solange es „weibliche“ Jobs, „Frauenliteratur“, „Powerfrauen“ und ähnliche stereotypisierte und patriarchale Boxen gibt, die zu ökonomischen, kulturellen und sozialen Abwertungen führen, wird es auch einen „Weltfrauenkampftag“ geben (müssen). Bis die vielen Schubladen geschlossen sind heißt es für uns alle: Geschlechtsbezogene Ungleichheiten aufzeigen und für Gerechtigkeit auch im Kleinen kämpfen!

Andreas Schulz-Tomančok (Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung)



Andreas Schulz-Tomančok | Foto: KK

As I learn more about our world and society, it’s getting increasingly difficult to imagine a world in which we won’t need at least one day a year to celebrate, support and highlight groups that fight marginalization and oppression. But who knows, maybe the name will change.

Ylva Schütz (Institut für Informationstechnologie)



Sara-Friederike Blumenthal | Foto: aau/Müller

Solange es keine ausreichende Kinderbetreuung gibt, brauchen wir einen Weltfrauentag. Ich möchte im Juni wieder anfangen zu arbeiten und es ist schwierig, genug Kinderbetreuung zu finden. Ob meine Tochter ab September einen Platz bekommt, weiß ich nicht, trotz früher Anmeldungen.

Sara Blumenthal (Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung)

Wir brauchen einen Weltfrauentag für mehr Solidarität zwischen den ♀♀♀ … mit mehr Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit füreinander und erst keinen Weltfrauentag, wenn zwischen ♂ und ♀ Wertschätzung, Respekt, Wohlwollen und Anerkennung füreinander gleich geworden sind.

Gabriele Aschauer (Institut für Mathematik)

Im sogenannten Establishment sitzen nach wie vor Männer mit gewissen Vorstellungen von Frauen und ihren Bedürfnissen. Nach wie vor müssen sich Frauen entscheiden, ob sie der Karriere oder der Familie den Vorzug geben. Allzu häufig sind Einbahn-Stellen, also Stellen mit wenig oder keinen Karrierechancen, an Frauen vergeben. Man kommt nicht umhin zu glauben, dass Frauen zwar eine gewisse Sicherheit geboten wird, das Potential von Frauen auf diese Weise allerdings stark ausgebremst wird. Hinderlich ist auch der starke Fokus auf die Sprache und entsprechende grammatikalische Irrtümer. Wenn ich von „Mitglieder*innen“ lese, ist das nicht hilfreich, um die Stellung der Frau in der Gesellschaft neu zu definieren. Der Frauentag ist also notwendig um auf Missstände hinzuweisen, um Frauen zu stärken und letztendlich, um Frauen mit dieser Nervenstärke zu ehren. Worte und Bezeichnungen sind eine nette Beigabe, doch letztendlich sind es Taten, die den Wirtschaftsfaktor Frau aufwerten und ausreichend würdigen können.

Marion Eichberger (Studienabteilung)

Wir brauchen keinen Weltfrauentag/Feministischen Kampftag mehr, sobald das höchste Gut der Frau nicht mehr ihr Aussehen, sondern alles andere ist! Unsere Körper dürfen nicht mehr sexualisiert und politisiert werden! Ich möchte mit oder ohne Haar, mit oder ohne BH, mit oder ohne Make-Up, mit oder ohne Sport, mit oder ohne Dehnungsstreifen, mit oder ohne Kleidung respektiert und ernst genommen werden! Hoch lebe die GIRL POWER!

Marie Biedermann (Institut für Mathematik)



Marie Biedermann | Foto: photo riccio

Weil wir leider immer noch keine 50% unter den Professor*innen erreicht haben. Vor allem Arbeitsbereiche, in denen Frauen arbeiten, werden schlechter bezahlt (Stichwort Gender Pay Gap). Österreich liegt laut einer aktuellen Studie über die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt auf Platz 27 von 30. Weitere Studien sagen, dass es noch viele Jahrzehnte, gar Jahrhunderte braucht bis Männer und Frauen gleichstellt sind. Hinzu kommt, dass aktuelle Angriffe auf geschlechterinklusive Sprache und die Gender Studies zeigen, dass sich unsere Gesellschaft noch weiter von der Gleichstellung entfernt.

Maria Mucke (Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien)

Wann brauchen wir keinen Weltfrauentag mehr?

Wenn weltweit

  • geschlechtsspezifische Gewalt, Misogynie, Frauen*hass und Frauen*verachtung, Femizide, Vergewaltigung, häusliche Gewalt und Sexismus kein Thema mehr sind
  • Macht- und Besitzverhältnisse gleich unter den Menschen verteilt sind – unabhängig von Geschlecht
  • wenn traditionelle Geschlechterrollenbilder und geschlechterstereotype Zuschreibungen aufgehoben sind

Und bezogen auf Österreich im Speziellen:

  • wenn die Pensionslücke zwischen den Geschlechtern von 41, 6% geschlossen ist
  • wenn nicht mehr 36% der alleinerziehenden Frauen* in Ö armutsgefährdet sind
  • wenn sich der Prozentsatz der Bürgermeisterinnen* in Ö dzt. von 9,4% verfünffacht
  • wenn sich der Anteil von 24,7% Aufsichtsrätinnen* verdoppelt hat und sich der Anteil an Frauen* von derzeit 8,9% Geschäftsführungen verfünffacht hat

Kirstin Mertlitsch (Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien)

Warum brauchen wir einen Weltfrauentag?
Damit sowohl Frauen als auch Männern vor Augen geführt wird, dass Frauen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung darstellen und dass diese Hälfte nach wie vor nicht in einem ausbalancierten Verhältnis zur anderen steht.

Wann brauchen wir keinen Weltfrauentag mehr?
Wenn jeder Mensch, unabhängig vom Geschlecht, auf der Welt das Gefühl haben kann, stolz, stark und selbstbewusst auftreten zu können; keine Frau der Welt den Satz „Ich bin eben eine Frau“ als Erklärung nutzt und wenn kein Mann der Welt „Du bist eben eine Frau“ beantwortend oder anklagend anführt. Dann sollten wir keinen Weltfrauentag mehr haben, sondern ab diesem Zeitpunkt vielmehr einen „Geschlechterdifferenzen-Gedenktag“. Der darauf hinweist, dass es schier unüberwindbare Differenzen gab, wir diese hinter uns gelassen und uns endlich weiterentwickelt haben. Zu einer offenen, liebenden, starken und gleichberechtigten Gesellschaft. Einer WeltGEMEINSCHAFT.

Juliane Achleitner (Studienabteilung)



Rahel More | Foto: photo riccio

Wir werden dann keinen Weltfrauentag mehr brauchen, wenn die Rechte aller Frauen, unabhängig von Dis/ability, Herkunft, Race, sexueller Orientierung und sozialer Klasse, global anerkannt und auch umgesetzt werden. Frauenrechte sind Menschenrechte und sollten jeden Tag eingefordert und sichtbar gemacht werden, nicht nur am Weltfrauentag.

Rahel More (Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung)

Wann wir keinen Weltfrauentag mehr brauchen? Wenn Männer selbstverständlich in Elternkarenz gehen können, wenn die Hausarbeit und Kinderbetreuung selbstverständlich aufgeteilt wird und auch das Management von Haushalt und Familie nicht mehr automatisch an den Frauen hängt und Frauen dies auch selbstverständlich übernehmen. Wenn Berufe, die typischerweise von Frauen ausgeübt werden, höheres Prestige genießen und genauso bezahlt werden wie Männerberufe. Wenn Geschlecht und Gender für das gesellschaftliche Ansehen keine Rolle mehr spielen.

Ursula Doleschal (Institut für Slawistik, SchreibCenter)



Ursula Doleschal | Foto: Riccio



Romy Müller | Foto: photo riccio

Wir brauchen keinen Weltfrauentag mehr, wenn Frauen gleich viel verdienen und die gleichen beruflichen Chancen vorfinden. Das können sie besser, wenn sie nicht mehr einen Großteil der Care-Arbeit leisten. Dafür muss das Leben von Männern leider unbequemer werden: Wer hat die Vorsorgeuntersuchungen für alle Familienmitglieder im Blick? Wer ist in den WhatsApp-Gruppen der Kinder? Wer wird angerufen, wenn das Kind krank abgeholt werden muss und wer übernimmt den Pflegedienst? Wer besorgt die Weihnachtsgeschenke? Wer behält den Überblick, welche Bände der vielteiligen Buchreihe das Kind besitzt? Wer weißt um den Inhalt des Kleider-, Medikamenten- und Kühlschranks? Wer füllt die Antragsformulare für den Pflegeheimplatz der Schwiegermutter aus? Und wer besucht sie dann dort? Wer überlegt sich Monate im Voraus, welche Ferienzeiten wie von wem abgedeckt werden? Wer ist mehrheitlich in Teilzeit, verdient weniger und kann nicht für später vorsorgen? Wer arbeitet tatsächlich von 6 bis 20 Uhr, und wer bekommt dafür Überstunden und Bewunderung?

Romy Müller (UNI Services)