Generation Internet. Vier Universitäten untersuchen, wie sich mit dem Internet unsere Selbst- und Weltbilder verändern

Volkswagen-Stiftung und FWF genehmigen multilaterales Forschungsprojekt zwischen der TU-Hamburg-Harburg, der Universität Klagenfurt, der Universität Bremen und der Universität Münster.

Im Herbst 2009 starten Forschungsteams der vier Universitäten in Deutschland und Österreich mit der Untersuchung der Denk-, Arbeits-, Kommunikations- und Lernformen, die Menschen in digitalen Netzwerken praktizieren. „Subjektkonstruktionen und digitale Kultur“ lautet der Titel des gemeinsamen Forschungsprojekts. Zum ersten Mal richtet sich das Forschungsinteresse auf alle wichtigen Netzaktivitäten, die einzeln und im Vergleich miteinander an verschiedenen Schauplätzen des Internets analysiert werden. Ziel der Untersuchung ist die Entwicklung einer Typologie von Selbst- und Weltbildern, die im virtuellen Raum entfaltet werden. Das Projekt wird im Rahmen des Schwerpunkts „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“ von der Volkswagen-Stiftung und vom FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung / Wien) für drei Jahre mit etwa 1,2 Mio Euro gefördert.

Digitale Medien sind in den westlichen Industrieländern längst zu einem allgemeinen Bestandteil des privaten und beruflichen Alltags geworden. Am intensivsten nutzen Jugendliche und junge Erwachsene die Internet-Technologien. Sie sind mit diesen Medien aufgewachsen und haben diese völlig in den Tagesablauf integriert. Digitale Medien sind aber keine bloßen Instrumente, sie bestimmen das Leben im Netz mit und oft auch das Leben jenseits des Netzes. Im scheinbar anonymen virtuellen Raum wagen manche über das zu schreiben, über das zu reden,  ihnen im realen Umfeld schwer fällt, z.B. über Krankheiten oder psychische Ausnahmezustände. Ein Beispiel dafür ist Anna, ein magersüchtiges Mädchen, das unter dem Titel ‚too late’ in die Community postete, dass ihre Magersucht außer Kontrolle geraten sei. Die Community verwandelte sich flugs in ein Selbsthilfeprojekt, in dem mit und für Anna eine Lösung gefunden wurde. Aber auch sonst im Alltag macht es einen Unterschied für die Art und Weise, wie wir denken, kommunizieren, Aufgaben lösen oder uns selbst sehen, ob wir mit oder ohne Chatroom, Weblogs, Online-Universen, intelligente Gegenstände aufwachsen. Schon bald wird die Generation Internet – geprägt von dem, was sie im virtuellen Raum tut, erfährt und erlebt – die bestimmende Generation sein und alle Bereiche der Gesellschaft entscheidend prägen. Das gesellschaftliche Interesse ist groß, Genaueres über den Handlungs- und Erfahrungsraum Internet zu erfahren, will sich die Gesellschaft auf diese Generation und damit auf ihre eigene Zukunft vorbereiten und sie mitgestalten.

Im Projekt ‚Subjektkonstruktionen und digitale Kultur’ werden die Handlungspraktiken von jungen Netzusern zwischen 15 und 30 Jahren an verschiedenen digitalen Schauplätzen wie Diskussionsforen, digitalen Netzwerken, Weblogs und im Umgang mit intelligenten Gegenständen untersucht. Zum Einsatz kommt ein breites Spektrum an Forschungsmethoden wie Interviews, Beobachtungen, Inhaltsanalysen, Internetsessions, Visualisierung und Design Methodology. Außerdem werden die unterschiedlichen Vorstellungen zum menschlichen Subjekt in der Ideengeschichte der Geisteswissenschaften aufgearbeitet. Auf dieser Basis kann festgestellt werden, ob und inwiefern sich im Kontext digitaler Medien neue Identitäten herausbilden.

Das interdisziplinäre Projekt erfordert eine enge Zusammenarbeit der Forschungsteams über Ländergrenzen hinweg. Die Treffen zwischen SoziologInnen, Kommunikations- und   MedienwissenschaftlerInnen sowie InformatikerInnen .werden innerhalb und außerhalb des Internets stattfinden. Versuche mit solchen Kooperationsformen werden immer wichtiger, da Forschung zunehmend im multilateralen und internationalen Kontext stattfinden muss, da die fachliche Expertise oft über verschiedene Länder streut und im Interesse effizienter Forschung gebündelt werden muss. Das Projekt ist insofern auch ein Beitrag zur Erprobung neuer transdisziplinärer und transnationaler Forschungsstrategien.

 

ProjektleiterInnen der Teilprojekte und AnsprechpartnerInnen:
PD Dr. Raphael Beer, Universität Münster, RaphaelBeer [at] gmx [dot] de (Teilprojekt: Ideengeschichte des menschlichen Subjekts)
Prof. DDr. Christina Schachtner /Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, Arbeitsbereich Neue Medien- Technik – Kultur, christina [dot] schachtner [at] uni-klu [dot] ac [dot] at (Teilprojekt: Kommunikationsraum Internet)
– Prof. Dr. Gabriele Winker
, Dr. Tanja Carstensen/TU Hamburg-Harburg, winker [at] tu-harburg [dot] de (Teilprojekt: Arbeitsraum Internet)
Prof. Dr. Heidi Schelhowe /Universität Bremen, schelhow [at] tzi [dot] de, (Teilprojekt: Intelligente Gegenstände sog. smart things)

Ansprechpartnerin:
Univ.-Prof. DDr. Christina Schachtner, T.0043-46327001803,
christina [dot] schachtner [at] uni-klu [dot] ac [dot] at
http://wwwu.uni-klu.ac.at/cschacht/