Studieren, Arbeiten, Stillen und Pflegen

In den letzten Jahren haben sich die Arbeits- und Studienwelt dynamisch verändert. Studieren und Arbeiten mit Kindern ist schon eher die Regel als die Ausnahme. Durch das Altern der Gesellschaft haben viele Menschen ebenso Pflegeverantwortung. Inwieweit sich dies mit Beruf, Kindern und Studium vereinbaren lässt und welche unterstützenden Maßnahmen das Familienservice setzt, erzählt Bronwen Arbeiter-Weyrer im Gespräch mit ad astra.

Die Einführung der flexiblen Kinderbetreuung ist schon etwas Besonderes. Die Universität hat hier eine Vorreiterrolle innerhalb Österreichs eingenommen. Wie kann man sich das vorstellen?
Aus der Studierenden-Sozialerhebung wissen wir, dass rund neun Prozent der Studierenden an den Universitäten Kinderbetreuungspflichten haben. Studierende und MitarbeiterInnen haben die Möglichkeit, ihre Kinder im Alter von acht Wochen bis 12 Jahren während der Lehrveranstaltungen bzw. der Dienstzeit im Familienservice betreuen zu lassen. Der Wiedereinstieg nach der Babypause erfolgt früher. Die Wissenschaftlerinnen haben den Druck, ihre Forschungs- und Publikationsarbeit zügig voranzutreiben, und das allgemeine Personal nutzt die vielfältigen Teilzeitkarenzmodelle. Darauf haben wir sofort reagiert und ganzjährige individuelle Betreuungslösungen angeboten.

Manche Lehrveranstaltungen finden am Abend statt. Gibt es auch hier eine Betreuung für die Kleinen?
Ja, hier übernimmt unser Fachpersonal nach vorheriger Absprache und zeitlicher Verfügbarkeit die Betreuung der Kinder außerhalb der regulären Öffnungszeiten. Wir bekommen häufig von studierenden Eltern die Rückmeldung, dass sie ohne das Kinderbetreuungsangebot ihr Studium nicht absolvieren hätten können bzw. sich die Studiendauer verlängert hätte. Vermehrt fragen auch Studierende anderer Bildungseinrichtungen des Landes unsere Angebote nach. Wir sind besonders stolz darauf, diese wichtige Frauenförderungsmaßnahme direkt am Campus umsetzen zu können.

Und wie lässt sich das organisieren?
Personell ist das oft eine große Herausforderung. Es gilt die bestens ausgebildeten Pädagoginnen und jedes Semester zehn bis fünfzehn Praktikantinnen zu koordinieren. Unser großer Vorteil ist, dass wir in unserer Bildungseinrichtung Studierende im Rahmen des Pädagogik-Studiums in einem flexiblen Praktikumsmodell im Ausmaß von 450 Stunden ausbilden. Ziel ist es, sie bei ihrer Lebens- und Karriereplanung zu unterstützen, auch jene mit eigenen Kinderbetreuungspflichten.

Eltern werden, stellt viele vor neue Herausforderungen. Mit welchen Fragen kommen Eltern besonders häufig in das Familienservice?
Sie beginnen beim Anruf von Studierenden: „Ich bin schwanger, kann ich mein Studium überhaupt noch fortsetzen?“ Die Fragen sind sehr unterschiedlich und komplex. Hier erarbeiten wir gemeinsam einen Zeitplan, wie Studium und Kind vereinbart werden können. Auch Ängste, verbunden mit finanziellen Sorgen, versuchen wir durch Beratung abzubauen und helfen bei bürokratischen Herausforderungen. Wir haben in Kärnten nach wie vor das Problem, dass für die Kleinsten keine bzw. zu wenig Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen. Jedes Beratungsgespräch ist sehr individuell.

Wo sehen Sie die größten Hürden bei einem Studium mit Kind?
Ich persönlich trete dem Thema positiv gegenüber. Besonders diese Ausbildungsphase eignet sich als guter Zeitpunkt, um eine Familie zu gründen. Mit einer guten Organisation und einem durchdachten Zeitmanagement schafft man es an unserer Universität, das Studium zu beenden. Das Angebot einer qualitativ hochwertigen und leistbaren flexiblen Kinderbetreuung trägt dazu bei, ein attraktiver Studien- und Arbeitsort zu sein.

Was raten Sie Eltern für ein erfolgreiches Studium?
Wie bereits erwähnt, lassen sich durch eine gezielte Planung viele Schwierigkeiten auf dem Weg zum Studienabschluss lösen. Gemeinsam mit der in die Beratung kommenden Person wird ein Überblick über die aktuelle Lebensphase geschaffen, eine Standortbestimmung durchgeführt und basierend auf dieser gemeinsam ein Konzept zur Koordination der beiden Lebensbereiche erstellt. Unsere Serviceeinrichtung ist auch während der vorlesungsfreien Zeit als Ganzjahresbetrieb geöffnet. Die Unterstützungsmaßnahmen am universitären Terrain sind aber vielschichtiger. Sie reichen vom Ausbau der familienfreundlichen Infrastruktur bis hin zur Sensibilisierungsarbeit bei ProfessorInnen, für die Herausforderungen studierender Eltern, zum Beispiel im Falle von ungeplanten Absenzen. Auch die Zusammenarbeit mit der ÖH, z. B. das regelmäßige Eltern-Kind-Campus-Treffen, bei dem sich Eltern wichtige Informationen holen und sich vernetzen können, funktioniert sehr gut.

Immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende übernehmen Pflegeverantwortung für Angehörige. Dies bedeutet für alle eine große, zeitliche, organisatorische und psychische Herausforderung. Wie unterstützt die Universität dabei?
Ein weiteres Feld unserer Serviceeinrichtung ist der Ausbau der Beratungsunterstützung, wenn ein Pflegefall eintritt. Meist tritt eine Pflegeverantwortung plötzlich auf und ist nicht planbar. Im Rahmen des Audits hochschuleundfamilie wurde eine Masterarbeit zum Thema „Vereinbarkeit von informeller Pflege und Berufstätigkeit an der AAU“ verfasst und nach drei Jahren, nach wiederholter Umfrage, eine Vergleichsstudie durchgeführt. In dieser äußerten 75 Prozent der betroffenen pflegenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Wunsch, während der Zeit, in der die Pflegebelastung besteht, auf flexible Arbeitszeitgestaltung wie Heim- bzw. Telearbeit zurückgreifen zu wollen. Maßnahmen wie die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für die Mehrfachbelastung, Pflegestammtische, Diskussions- und Vernetzungsplattformen sowie Informationsveranstaltungen sollen in den nächsten Jahren umgesetzt werden.

Was wünschen Sie sich in Zukunft für das Familienservice?
Eine Verbesserung und Erweiterung der Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Familie. Im Rahmen des Audits hochschuleundfamilie arbeiten wir kontinuierlich daran, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Es wurden bereits Wickelmöglichkeiten am Campus, Eltern-Kind-Parkplätze oder ein Stillraum implementiert. Diese Maßnahmen sollen nun evaluiert und ausgebaut werden. So ist ein Eltern-Kind-Arbeits- bzw. Sozialraum gewünscht, Family-Parkplätze sollen geschaffen und ein Family-Pass für Studierende mit vergünstigten Angeboten soll eingeführt werden. Die Schaffung eines „Hauses des Kindes“ mit Halb- und Ganztagesplätzen und familienfreundlichen Begegnungszonen sind langfristige Ziele. Ebenfalls soll das bisher noch tabuisierte Thema „Pflege“ stärker in die Universität eingebunden werden. Es gibt also noch sehr viel zu tun.

für ad astra: Lydia Krömer

Zur Person

Bronwen Arbeiter-Weyrer startete im Jahre 2004 das Familienservice als Drittmittelprojekt und baute dieses zu einer Zentralen Serviceeinrichtung aus. Sie ist die verantwortliche Auditbeauftragte hochschuleundfamilie. Neben ihrer über 30-jährigen Berufserfahrung studierte sie im zweiten Bildungsweg Bildungs- und Erziehungswissenschaft in Kombination mit Psychologie und absolvierte zusätzlich das Bachelorstudium Angewandte Betriebswirtschaft. Die zertifizierte Trainerin arbeitet aktiv als Expertin für Vereinbarkeitsfragen in inneruniversitären Arbeitsgruppen sowie im österreichweiten UniKid-UniCare Austria Netzwerk (bis 2018 Netzwerksprecherin) sowie in unterschiedlichen Arbeitsgruppen in Kooperation mit dem Bundesministerium.

Bronwen Arbeiter | Foto: aau/Müller

Das Familienservice der Universität Klagenfurt ist die Beratungs- und Informationseinrichtung für alle Fragen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Studium, Pflegeverantwortung und zu Betreuungsaufgaben. Das Familienservice bietet stundenweise flexible Kinderbetreuung für Universitätsangehörige, eine Sommerferienbetreuung & Informatik-Camp gemeinsam mit dem Institut für Informatikdidaktik und eine Babysitterbörse an. 2016 wurden insgesamt 14.780 Betreuungsstunden in Anspruch genommen. Für ihre familienfreundliche Hochschulpolitik trägt die Universität Klagenfurt bereits seit 2011 das Gütesiegel aus dem Audit hochschuleundfamilie.
Mehr unter: www.aau.at/familienservice