Stromverbrauch und Speicherung selbst steuern

Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Gesamtstromverbrauch rechnerisch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft werden Motor dafür sein. Ein Gespräch mit Smart-Grids-Experte Wilfried Elmenreich über die intelligente Steuerung und Optimierung von erneuerbarer Energie.

Photovoltaikanlagen leisten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stromerzeugung, und gerade bei privaten Haushalten ist die Akzeptanz sehr groß. Durch die in den letzten Jahren gesunkenen Preise für Photovoltaikanlagen und entsprechende Förderungen steigt der Anteil an erneuerbaren Energien, insbesondere in der Erzeugung elektrischer Energie. Wilfried Elmenreich, Professor für Smart Grids am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme, erklärt im Gespräch: „Die Verfügbarkeit von Wind- und Solarenergie ist von den Wetterverhältnissen abhängig. Das Wetter gibt vor, mehr oder weniger Strom zu produzieren. Die Sonne kann man nicht aufsparen oder vorbestellen. Die Output-Kurve von Photovoltaikanlagen passt nicht wirklich mit den typischen Verbrauchsmustern unserer Gesellschaft zusammen.“

Im Sommer produzieren Photovoltaikanlagen mehr Solarstrom, am meisten um die Mittagzeit bei Sonnenschein, der Verbrauch ist mitunter abends am stärksten. Aber was passiert mit dem Überschuss an Energie? Eine Lösung sieht Elmenreich darin, die Überkapazitäten über Speicherkraftwerke in das öffentliche Stromnetz einzuspeisen oder die lokal produzierte Energie der Photovoltaikanlage für den späteren Verbrauch zu speichern. Für ihn wäre es schade, wertvolle Energie zu verschwenden.

Beim Aufladen von Elektrofahrzeugen ortet Elmenreich Potenzial: „Die Elektromobilität wird weiter zunehmen, das gibt uns eine Steuermöglichkeit. Eine gute Möglichkeit ist es, durch Verzögern der Ladezyklen eines länger abgestellten Fahrzeugs Stromverbrauchsspitzen auszugleichen.“ Die Idee mit der Vehicle-to-Grid-Technologie, zu Zeiten erhöhten Energiebedarfs den Strom gewinnbringend wieder in das Stromnetz zurückzugegeben, sieht Elmenreich kritisch. „Das geht auf Kosten der Ladezyklen der teuren Batterie, deren Gewicht und Leistung speziell für Fahrzeuge optimiert ist.“

Für all diese Lösungen bedarf es eines intelligenten Energiemanagements, das die einzelnen Systeme miteinander verbindet, nämlich Smart Grids. „Diese intelligenten Systeme ermöglichen, vereinfacht gesagt, dass eine Kommunikation zwischen einem Energieerzeuger, wie beispielsweise einer Wärmepumpe, und dem Netzzustand hergestellt wird“, sagt Elmenreich. Man könne den Verbrauch einer Heizungsanlage, die in modernen Häusern bereits automatisiert ist, so einstellen, dass Energie genau dann verbraucht wird, d. h. die Heizung dann läuft, wenn ein Überschuss an Strom vorhanden ist und dieser relativ billig ist. Dafür müssen die einzelnen Geräte mit Steuereinrichtungen ausgestattet werden. Auf die Frage hin, wie das System weiß, ob der Strom in diesem Moment gerade billig ist, antwortet Elmenreich: „Das ist mit den alten Stromzählern nicht möglich und für die Kunden gibt es noch keine unterschiedlichen Stromtarife.“ Erst die Smart Meter ermöglichen auszulesen, welche Ge räte im Haushalt wann gelaufen sind und wie viel sie verbraucht haben.

Basierend auf der Smart-Meter-Technologie kann man durch die Kommunikation mit den Endgeräten als Verbraucher herausfinden, wann es gerade günstig wäre, Strom zu verbrauchen. Elmenreich sieht die Herausforderung darin, dass alte Systeme mit den neuen Systemen kompatibel sein müssen. „Wir brauchen Lösungen, die mit Zukunftstechnologien funktionieren, die aber auch nach hinten kompatibel sind. Niemand sollte benachteiligt werden, sei es durch bauliche Strukturen oder derzeit noch durch alte Stromzähler.“ Gefragt danach, wie er die Zukunft von erneuerbaren Energien einschätze, sagt Elmenreich: „Der Energieverbrauch wird steigen und zumindest rechnerisch in Österreich vollständig aus erneuerbarer Energie gedeckt werden. Mit der Energiegewinnung aus Wasserkraft haben wir eine gute Ausgangsposition und jetzt schon ein hohes Niveau erreicht.“

für ad astra: Lydia Krömer

Zur Person

Wilfried Elmenreich ist Professor für Smart Grids am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme. Zu Forschungszwecken betreibt das Institut gemeinsam mit den Lakeside Labs seit 2012 eine kleine Photovoltaikanlage am Dach des Lakeside Parks. Zusätzlich analysiert seine Forschungsgruppe, inwieweit die Photovoltaik-Ausbeute in anderen Höhenlagen, beispielsweise am Dobratsch, besser ist.

Wilfried Elmenreich | Foto: aau/KK