Stadt unter – Pod gladino – Aqua alta:

Ein erquickender Kunstsommer auf Klagenfurts Wasserstraßen

Nicht alle EinwohnerInnen und Gäste von Klagenfurt benutzen die schönen Radstrecken an den Wasserläufen im-Süden und Westen ihrer Stadt gleichermaßen: die Schattenalleen am Lendkanal, die Badeidyllen an der Sattnitz und die nüchterne Strecke am Feuerbach. Im heurigen Sommer hatten Radfahrende und Zufußgehende die Gelegenheit, nicht nur die unterschiedlichen-Natur- und Erholungsräume im Zentrum und an der Peripherie wahrzunehmen, sondern dabei auch von künstlerischen Interventionen begleitet zu werden. Die Lendhauer und das UNIKUM realisierten ein Leuchtturmprojekt von „Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes: „Stadt unter“. Dafür luden-sie 17 Künstlerinnen und Künstler für die Konzeption von gesamt 30 perspekivenerweiternden Stationen im ehemaligen-Sumpf- und Schwemmgebiet ein.

In Wörtherseenähe beträgt der Grundwasserspiegel gerade einmal einen Meter und bereitet den AnrainerInnen bei Hochwasser bis heute Probleme. Der Abfluss des Sees geht in der regulierten-Sattnitz aber meistens ruhig und flach dahin und bildet kleine Teiche. Hier und an hunderten Stegen sind Abkühlungen möglich. In den kleinen Parks nebenan laden öffentliche Grillplätze zum familiären Zusammensein ein, was bevorzugt von der hier ansässigen migrantischen Bevölkerung genutzt wird.

Den Ausgang der gemütlichen Halbtagestour nimmt man im Lokal „Magdas“ am Stauderplatz mit bewegten und unbewegten Bildern von Robert Schabus und Gerhard Maurer zu Fremdheit, Gastfreundschaft und der verborgenen Schönheit von verlassenen Plätzen. Bernhard Wolfs „Fȇte Blanche-Graffiti“ an der nackten Feuermauer eines-Hauses an der Mehrfach-Baustelle Lendhafen soll Freiraum für Assoziationen aller Art aufmachen. Hanno Kautz irritiert an sechs Stellen der Gesamtstrecke mit Nistkästen in Überwachungskamera-Design: Bieten sie den migrant birds (Zugvögeln) Schutz oder halten sie sie fern? Julia Hohenwarter hat an drei Stellen Firmennamen von amerikanischen Umzugsfirmen in Beton gießen lassen, u. a. „Pure Moving“-beim aufgegebenen Gasthaus Vrabac-am Lendkanal.

Gleich danach trifft man im Lukaspark vorm Bahnhof Lend auf Richard Klammers „Wödstadt“ aus Getränkekisten, die wie die neue Wörtherseearchitektur nach oben wuchern. Nur mit gezieltem Blick lässt sich auf der Ostseite der Steinernen Brücke der verfremdete„Pegelstand“ von Gerhard Pilgram ausmachen – hier als eine Messlatte für den wachsenden Rechtsextremismus. Im Europapark neben dem Planetarium kann man sich auf die harten Sandbänke von Wendelin Pressl legen und dabei Schutz und Abwehr fühlen.

Pilgrams Bildstock auf der gegenüberliegenden Seite des Lendbrückerls trägt anstelle von Heiligenbildern Facebook & Co als verehrenswerte Kultfiguren und neue Richtungsweiser. Edith Kärcher (Pseudonym!) sorgt an der Lend auf der Höhe des Uni-Sportfreigelände für einen „Starken Abgang“. Die freigelegte Treppe aus Kreuzberglschiefer wird als Zebrasteifen am Weg fortgesetzt und endet vor dem Stamm eines Ahornbaumes. Leopold Kesslers-„Fahne mit Hebel“ an der letzten Lendbrücke lässt lustvoll den persönlichen Patriotismus-Pegel erkunden. Wohl nicht mehr vom Baum zu bekommen sind die 63 Raben von Thomas Judisch „Too many Birds“. Die starren Vogelattrappen erschrecken Fußgeherinnen und Paddler, ohne einen Ton von sich zu geben. Inmitten einer schönen Wiese unweit des Stadions steht der von der slowenischen Wanderimkerei inspirierte „Honigtransporter“ von Marlene Hausegger. „Die Bienen haben sich gut in das Kunstprojekt integriert“, erzählt Tomislava Rados, die die Völker betreut, „deren sinnliche Orientierungsfunktionen sind von den surreal bemalten Brettchen nicht irritiert worden“.

Im Sattnitzpark hat der Gott des Meeres phallisch seinen-Dreizack in einen-Stein gestoßen: „Poseidon“ von Thomas Judisch. Doch statt Erdbeben und Flut herrscht hier nur freundliche Picknick-Stimmung. Die „Leuchttürme“-von Niki Meixner inmitten des seichten Wassers tragen auch nicht zu einer Untergangsstimmung bei. Mulmig wird es einem erst bei der „Balkanroute“ des UNIKUM an der Brücke Waidmannsdorferstraße, sie erinnert vor der Karawankenkulisse an geschlossene Fluchtrouten.

Weiter in die Vergangenheit zurück greift das Künstlerduo Zweintopf mit dem „Fragment“. Die fast unlesbar gewordenen Stellen auf einem Abstimmungsdenkmal werden von Text auf einer-daneben aufgestellten Marmortafel in slowenischer Sprache wieder vervollständigt. Uwe Bressniks riesige „Sound-of Silence-Schallplatte“ durchschneidet wohlvermessen die Landschaft, eine Parkbank und den Lärm von Wasser und Starkstromleitungen. Im Kalmusbad, einer Oase der Stille, schaut sich unter großen Baumkronen das große Gedicht „Wasser, weis´ mir den Weg“ von Fabjan Hafner in seinen beiden Sprachen an.

Prosaisch geht es weiter. Josef Asfalters-„Ohne Teer“ nimmt auf die zunehmenden Readymades auf Klagenfurts Straßen Bezug: Asphaltausbesserungen, die wie Kalligraphien daherkommen. In der Kläranlage findet man mit etwas Mühe die dritte Fotoarbeit von Gerhard Maurer, eine desolate Sesselreihe. Beißend und selbstironisch endet die schöne Tour. Wem hier oder sonstwo zu viel (oder-zu wenig) Kunst geworden ist, kann diese in der „Kunst-im-öffentlichen-Raum-Klappe“ des UNIKUM am Kreisverkehr beim Einkaufszentrum Südpark wohlsortiert entsorgen.

Bedauerlicherweise ist der erquickende Parcours nur temporär ausgelegt. Einige der Stationen werden sich dennoch halten. Die Zukunft wird weisen, welche Erosion welchen Objekten ein frühes Ende bereitet und welche zumindest noch einige Zeit lang überdauern können. Am Vandalismus sollte es nicht liegen, denn Gerhard Pilgram glaubt an „die heilsame Kraft der Kunst auf die Jugend“.

für ad astra: Barbara Maier