Nina Radman | Foto: André Huber

Schöne neue Welt der MedienproduzentInnen

Heute werden Medieninhalte nur mehr selten von ausgebildeten JournalistInnen produziert, die von medienethischen Leitlinien geprägt sind. ad astra hat gemeinsam mit der Philosophin und Medienwissenschaftlerin Larissa Krainer einen Blick hinter die bunt leuchtende Fassade der Mediatisierung der Gesellschaft geworfen.

Nina Radman hat als „berriesandpassion“ über 77.000 Follower auf Instagram, 12.500 AbonnentInnen auf Facebook und 1.500 Leserinnen und Leser auf Twitter. Sie schreibt auf ihrem Blog über Mode, Essen, Reisen und Fitness und verdient ihr Geld damit, dass sie auf Unternehmen verlinkt, die zu ihrem Lifestyle passen. Vor zehn Jahren hätte die Bloggerin als Redakteurin bei einem Lifestyle-Magazin arbeiten können. Der größte Unterschied: Nina Radman erzählt über sich, über ihr Leben, über ihre Leidenschaften: „Ich frage mich selber oft, wie mein Blog so groß und erfolgreich geworden ist, aber ich glaube, dass meine natürliche authentische Art sehr gut ankommt und dass ich auch mal sehr persönliche Themen anspreche. Ich lasse meine Leserinnen und Leser an meinem Leben teilhaben“, erklärt sie. Sie hat, so erzählt sie, „aus ihrem Hobby einen Beruf gemacht“. Und verfügt nun über das Potenzial, ihre Sicht auf die Welt an Tausende zu vermitteln.

Für die an der IFF-Fakultät tätige Philosophin und Kommunikationswissenschaftlerin Larissa Krainer zeigt sich darin einer der entscheidenden Widersprüche des, wie sie es nennt, Produsers‘ Dilemma zwischen ProduzentInnen und UserInnen: „ProduserInnen mögen als ProduzentInnen von Medieninhalten professionell agieren, sie sind deshalb aber noch lange keine ethische Profession. In der Welt der digitalen Medien sind alle, die über diese Medien verfügen bzw. Zugang zu ihnen haben, potenziell zugleich RezipientInnen und ProduzentInnen von Medieninhalten. Damit wurden zwei bis vor kurzem noch weitgehend voneinander zu unterscheidende Gruppierungen partiell aufgehoben bzw. verschmolzen.“ Krainer hat kürzlich einen Aufsatz zu den Dilemmata dieser ProduzentInnen veröffentlicht.

Rund um die Uhr online
„Am meisten liebe ich die Abwechslung und die Freiheit. Natürlich gibt es auch ein paar Seiten, die nicht so toll sind, wie zum Beispiel, dass man eigentlich durchgehend online ist und die Freizeit etwas leidet“, schildert Radman. Auch Larissa Krainer sieht in der 24/7-Online-Präsenz eine große Herausforderung: „Mediatisierung bedingt einen Zustand des permanenten Vernetztseins und nicht mehr der partiellen, gelegentlichen Zuwendung. Insbesondere das Handy, dem längst ein exklusiver und intimer, weil körpernaher Platz zuerkannt wurde, hält auf Wunsch nicht nur ständig online, es informiert auch von kommunikativen Aktivitäten anderer vibrierend 24 Stunden lang.“ Überwinde man sich zum Abschalten, bedeute dies, von Informationen und Kommunikationskanälen ausgeschlossen zu sein. Larissa Krainer berichtet von Interviews mit Studierenden, für die es zu Stress wird, wenn das Smartphone gerade nicht verfügbar ist. Die Beschleunigung und Komplexitätssteigerung habe niemand mehr im Blick: „Jedes Agieren von ProduserInnen in Netzwerken bedarf des Reagierens vieler NetzwerkpartnerInnen, was das Agieren potenziert und in kollektiven Hyper-Aktivismus führt, wobei neben dem eigenen Reagieren auch das permanente Beobachten der Reaktionen der anderen vonnöten ist.“

Auch die Medienforschung stünde vor neuen Herausforderungen: „Die Hektik überträgt sich. Selbst die Auswahl, was man beobachtet, ist schwierig zu treffen. Ich bemühe mich darum, Zusammenhänge im Blick zu behalten.“ Für sie sei es wichtig, dass die Nutzerinnen und Nutzer dieser Medien nachdenken: Will ich das? Wie will ich das? Was mache ich hier überhaupt? Ein Beispiel dafür seien Fitnessapps: Geht man laufen, um die App mit ihren unzähligen Aufforderungen zum Sport zu befriedigen? Oder geht man laufen, um zu laufen? „Es kehrt sich viel um. Wenn aber Menschen darüber nachdenken, tut sich sehr schnell etwas im Bewusstsein“, so Krainer.

Die Rolle der klassischen Medien
Den aktuellen Diskurs über das Postfaktische findet Larissa Krainer interessant, will allerdings das Ausspielen von Faktenbasiertem versus Gefühlsbeladenem in dieser Frage nicht gelten lassen, denn: „Für mich ist es nicht grundsätzlich schlecht, wenn etwas gefühlsmäßig aufgeladen ist. Auch die Solidarität, die die Basis vieler unserer Errungenschaften ist, ist ein Gefühlszustand.“ Heute gebe es allerdings, auch bedingt durch die Logiken der neuen Medien, zu viele Fakten, die nicht mehr überblickt werden können. Was der Mensch daher brauche, sei ein Lernen zweiter Ordnung und mehr Metawissen über die Funktionsweise digitaler Medien und Netzwerke. „Und klassische Medien, die sich auf ihre Recherchekompetenz besinnen“, so Krainer. Journalistinnen und Journalisten erzählen ihr, dass sie häufig den Online-Postings hinterher hecheln. Klassische Medien müssten ihre Rolle neu definieren: Informationen seien zwar schnell online, der Schwerpunkt von „gelernten“ Journalistinnen und Journalisten seien aber gesicherte und geprüfte Nachrichten, die es auch als solche zu markieren gelte. Krainer führt weiter aus: „Am Ende müssten sich alle auf Grundkodizes verpflichten, also beispielsweise darauf, faktenbasierte Informationen zu liefern. Wir brauchen ein Bewusstsein, dass man mit dem Vertrauen der NutzerInnen vorsichtig umgehen muss.“

Nina Radman hält sich in ihren Postings großteils an der thematischen Oberfläche auf: Sie berichtet über Mode, Essen, Sport, Reisen und hie und da über ihr Seelenleben, wie zum Beispiel ihre Vorsätze für 2017: Mehr Zeit zuhause verbringen, weniger arbeiten, nicht jedem gefallen müssen, abschalten lernen, mehr genießen. Die Geschichten aus ihrem Leben bilden den atmosphärischen Hintergrund für die Produktempfehlungen, die dann ihre Einnahmequelle sind. Sie wäre nicht erfolgreich, wenn sie damit nicht den Nerv einer Generation treffen würde. Gefragt danach, wie sie mit dem Einfluss, den sie auf junge Menschen hat, umgeht, antwortet sie: „Natürlich bin ich mir dessen bewusst. Meine Zielgruppe ist aber Gott sei Dank nicht mehr ganz so jung und mit 18 bis 35 alt genug, dass sie weiß, was sie tut bzw. nachkauft. Natürlich überlege ich mir oft, was und vor allem wie ich poste, aber meine Beiträge kommen gerade deshalb so gut an, weil ich einfach meine persönliche Meinung schreibe.“ Klassische Medien konsumiert sie selbst kaum: „Ich muss gestehen, dass ich mir die meisten Informationen aus dem Internet hole und eigentlich nur ganz selten Zeitungen lese. Auch der Fernseher ist bei mir wirklich sehr selten eingeschaltet, und wenn er nicht da wäre, würde ich ihn wahrscheinlich nicht vermissen.“

für ad astra: Romy Müller

Zur Person

Larissa Krainer war zwölf Jahre lang Journalistin und ist seit 1998 an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung tätig, wo sie sich zum Thema „Medien und Ethik“ habilitierte. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Medienethik, Prozessethik, Interventionsforschung, Kulturelle Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitskommunikation, Wissenschaftstheorie, Konflikt- und Entscheidungsmanagement.

Larissa Krainer | Foto: aau/Puch