„Menschen werden immer in echtem Kontakt mit anderen Menschen sein wollen.“

Davon ist Caroline Roth-Ebner, assoziierte Professorin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, überzeugt. Aus Anlass der Veröffentlichung des Buches „Mediatisierte Gesellschaften“, an dem sie als Mitherausgeberin mitgewirkt hat, hat sie mit uns über allgegenwärtige neue Medientechnologien gesprochen. 

In dem Klappentext zu dem von Ihnen mitherausgegebenem Buch schreiben Sie, die zunehmende Bedeutung der Medien, der digitalen Kommunikation und der globalen Vernetzung werde öffentlich zwischen Alarmismus und Heilserwartung diskutiert. Warum ist das Thema so emotional aufgeladen?

Veränderungen beschäftigen den Menschen schon immer sehr stark. Dies betrifft auch die mediale Entwicklung. Schon als der Buchdruck erfunden wurde, gab es beispielsweise seitens der Kirche Aufregung darüber, dass ihr Wissensmonopol dadurch untergraben würde. Weitere Beispiele sind die hitzigen Debatten rund um das Reality-TV zu Beginn der 2000er Jahre und aktuell um die Sozialen Netzwerke. Diese Aufregungen sind wichtig, um die Kontexte der neuen Erfahrungen abzustecken und Untersuchungen anzuregen, was durch neue Technologien, neue Medien und neue Formate passiert. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, genau und sachlich die Hintergründe zu beleuchten.

Welche Wirkungen orten Sie hier durch die jüngst entstandenen Technologien und Medienformate?

In der Medien- und Kommunikationswissenschaft gehen wir davon aus, dass Entwicklungen nie eindimensionale Wirkungen erzielen. Man muss kontextabhängig untersuchen, was passiert und welche Faktoren einander bedingen. So fragen wir uns beispielsweise auch: Wie beeinflussen soziale Entwicklungen den medientechnologischen Fortschritt? Für alles, was schließlich einen Markt findet, muss ja auch immer ein Nährboden gegeben sein.

Was macht diesen Nährboden derzeit aus?

In Zeiten der Globalisierung wollen wir stärker als bisher Erfahrungen über Grenzen hinaus sammeln und grenzüberschreitend kommunizieren. Von Bedeutung sind auch ökonomische Prinzipien unseres neoliberalen Wirtschaftssystems, die auf alle Lebensbereiche übergreifen. Wir sind beispielsweise bereit, uns als Apple- oder Samsung-Jüngerinnen und –Jünger sehr teure Geräte in rascher Abfolge zu kaufen. Die Prinzipien wirken überall hinein, zum Beispiel zu den Fragen, wie organisieren wir Familie, wie organisieren wir Einkäufe, wie kommunizieren wir mit unseren Kindern. Alles soll möglichst effizient sein.

Das Privat- und Berufsleben lässt sich heute in vielen Berufsgruppen nicht mehr voneinander trennen, unter anderem bedingt durch die allgegenwärtige Erreichbarkeit. Können wir uns dagegen noch wehren?

Der Gesellschaftstheoretiker Michel Foucault hat den Begriff der ‚Gouvernementalität‘ geprägt und damit gemeint, dass wir Menschen selbst bei den Machtdiskursen mitmachen, die eigentlich von außen auf uns einwirken. Die Paradigmen ‚Sei vernetzt, sei modern, sei erreichbar, sei dabei!‘ haben wir mittlerweile stark verinnerlicht. Daher entsteht auch der Eindruck, ‚freiwillig‘ mitzumachen. In Wahrheit ist es aber so, dass man – verweigert man sich – durchaus mit sozialen Konsequenzen zu rechnen hat. Wenn Sie in der Whatsapp-Gruppe der Eltern der Schulklasse Ihres Kindes nicht dabei sind, droht Ihnen, wichtige Informationen zu versäumen. Im Berufsleben erhält dies dann auch durchaus existenziell bedrohlichen Charakter.

Wenn man mich beruflich im Urlaub anruft, ziehe ich aber auch den Sekundärgewinn daraus, mich wichtig zu fühlen. Profitieren wir nicht auch davon?

Ja, denn wir sind Selbstdarsteller, auch in den Digitalen Medien und über sie. Dies folgt auch einem ökonomischen Prinzip: Ich zeige, ich werde gebraucht. Damit einhergeht, dass das, was ich mache, offensichtlich von großer Bedeutung ist. Ich fühle mich gewichtig.

Welche Technologien werden uns in Zukunft ähnlich disruptiv verändern wie das Smartphone?

Die Verschmelzung von Körper und Technologie wird noch zunehmen. Heute tragen wir Smart Watches auf unseren Handgelenken, bald werden sie Eingang in unseren Körper finden. Es gibt ja immerhin schon MitarbeiterInnen von Konzernen, die sich freiwillig Chips implantieren lassen, die sie als dem Betrieb zugehörig ausweisen. Das Verhältnis Mensch-Maschine ist stark im Wandel. Menschen könnten in Form von Hologrammen mit uns in Konferenzen sitzen, und in Real Life dabei an einem ganz anderen Ort sein. Wird so etwas im Alltag denkbar, könnten wir eine neue Stufe der Telekommunikation erreichen.

Wo sehen Sie Alarmzeichen, dass es in eine falsche Richtung gehen könnte?

Wir haben häufig den Eindruck, eine Lawine rollt über uns, der wir uns nicht entgegenstellen können. Hierzu möchte ich betonen: Jeder und jede hat die Möglichkeit, individuelle Handlungsmöglichkeiten zu ergründen und sich so Freiräume zu schaffen. Ein Smartphone muss nicht immer und überall dabei sein. Besonders skeptisch sehe ich es, dass viele Unternehmen und Organisationen ihre Offline-Angebote deutlich zurückfahren. Es sollte immer auch noch möglich sein, eine echte Bankangestellte aufsuchen zu können, um Geld zu überweisen; wenngleich es bequem für alle ist, die Zugang zum Internet haben, diese Geschäfte online zu erledigen. Trotzdem: Die Menschen wollen Mensch sein. Man möchte einander face-to-face treffen. Deshalb darf der Roboter in Altersheimen nur ein Hilfsmittel sein.

Haben Sie darin gutes Vertrauen?

(zweifelnd) Naja. Aber im Grunde schon: Menschen werden immer in echtem Kontakt mit anderen Menschen sein wollen. Wobei man global gedacht natürlich vorsichtig sein muss. So wird in Japan der Technik eine Seele zugesprochen und beispielsweise zu Robotern eine emotionale Beziehung aufgebaut. Dort könnte es tatsächlich anders laufen, und das zeigt wiederum die Kontextabhängigkeit der Technologienutzung.
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Zum Buch

Kalina, A., Krotz, F., Rath, M. & Roth-Ebner, C. (Hrsg.) (2018). Mediatisierte Gesellschaften. Medienkommunikation und Sozialwelten im Wandel. Baden-Baden: Nomos.

Die zunehmende Bedeutung der Medien, der digitalen Kommunikation und der globalen Vernetzung wird öffentlich zwischen Alarmismus und Heilserwartung diskutiert. Der Band bietet demgegenüber auf Basis der Mediatisierungstheorie eine kritische Bestandaufnahme des medialen und sozialen Wandels in mediatisierten Gesellschaften.

Das Werk ist Teil der Reihe Tutzinger Studien zur Politik, Band 12.

Mediatisierte Gesellschaften | Buchcover

Caroline Roth-Ebner | Foto: aau/Maier

Zur Person

Caroline Roth-Ebner ist assoziierte Professorin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Alpen-Adria-Universität, wo sie sich 2014 mit dem Schwerpunktthema „Mediatisierung von Arbeit. Zur Dynamik von Medien(kommunikation), Raum und Zeit in der Arbeitswelt“ habilitierte. Sie ist außerdem Prodekanin der Fakultät für Kulturwissenschaften. Zuletzt leitete sie ein medienpädagogisches Projekt an Kärntner Schulen unter dem Titel „Schaut her! Ich zeig’s euch digital!“.