„Mehr als eine Diskussion über Genitiv und Dativ“ – Germanistik studieren

Es gibt auch schöne Umwege: Victoria Dörflinger hat sechs Jahre im Finanzdienstleistungssektor gearbeitet, davor ein Studium in Graz abgebrochen und ist jetzt ihrer inneren Sehnsucht gefolgt. Heute studiert die St. Veiterin Germanistik, lernt und forscht mit Leidenschaft und bezieht ein SelbsterhalterInnenstipendium. Wie der Neuanfang für sie war und welche Erfahrungen sie gesammelt hat, verrät sie uns im Interview.

Es war nicht immer klar, dass du in Klagenfurt studieren willst, oder?
Nein, nach einem ersten Studienversuch in der „Großstadt“ Graz folgte mein Rückzug nach Kärnten und sechs Jahre voller 50-Stunden-Wochen in einem Finanzdienstleisterunternehmen. Danach erst fiel die Entscheidung Germanistik in Klagenfurt zu studieren.

Das klingt nicht nach einer ersten Wahl.
Es waren Umwege, die mich 2015 an die Universität Klagenfurt geführt haben. Ich verbrachte meine Zeit in Graz mit dem quälenden Bewusstsein, meine berufliche Bestimmung nicht mit 19 schon gefunden zu haben. Nach sechs Jahren im Beruf und weiteren Ausbildungen folgte die Erkenntnis, dass Wertpapiere, Pensionsvorsorgen und Bausparer zwar sinnvolle Investitionen darstellen, (der Umgang mit) Geld aber nicht meine innere Sehnsucht nach korrekter Grammatik und Satzstellung in Geschäftskorrespondenzen stillte.

Wie fühlte sich dieser Neuanfang an?
Ich hatte ein SelbsterhalterInnenstipendium im Gepäck sowie die unterschwellige Angst, mit 25 zu alt für einen Neubeginn zu sein. Die traditionellen Konventionen meiner Umgebung sahen es vor, den ersten Job bis zum Pensionsalter beizubehalten. Umgeben von neuen Gesichtern erkannte ich jedoch schnell, dass ich vielleicht den einen Beruf verloren hatte, aber eine Berufung gefunden habe.

Welche Fächer gefallen dir besonders gut und warum?
Die Vielfalt dieses Studiums, sei es auf sprachwissenschaftlicher oder literaturwissenschaftlicher Ebene, ist enorm. Die Möglichkeiten, die sich nach einem Abschluss bieten, beschränken sich nicht auf die gängigen Berufsbezeichnungen „Journalist/in“ oder „Autor/in“. Vielmehr erstreckt sich die Angebotspalette beginnend bei Älterer Deutscher Sprache über die Neuere, von Angewandter Germanistik über Linguistik bis hin zu Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache. Großer Wert wird auf die Forschung gelegt und die fachliche Kompetenz der Lehrenden wird an sämtlichen anderen Universitäten Österreichs geschätzt.

Gibt es Vorurteile, mit denen du zu kämpfen hast?
Ein Germanistikstudium ist mehr als die Geburts- und Sterbedaten von Goethe auswendig zu wissen (28.08.1749 – 22.03.1832 übrigens), mehr als korrekte Beistrichsetzung und mehr als eine Diskussion über Dativ und Genitiv. Dennoch denken entfernte Bekannte nach wie vor, dass ich mich im Rahmen meines Studiums nur mit dem Erlernen der deutschen Sprache beschäftige, derer ich als gebürtige Österreicherin ohnehin mächtig sein sollte.

Bist du mit der Wahl der Uni Klagenfurt zufrieden?
Lasse ich, kurz vor Abschluss meines Bachelors und Beginn des Masterstudiums, die letzten Jahre Revue passieren, so würde ich nichts anders machen. An die Universität, noch dazu an die in Klagenfurt, zurückzukehren war mitunter die beste Entscheidung meines Lebens – klingt pathetisch, ist aber so. Ich bin dankbar für eine Universität, die familiäre und soziale Aspekte mit höchstem wissenschaftlichen Niveau kombiniert, für Professoren/innen, deren Bürotüren und Ohren allzeit offen für Fragen sind und für meine Wegbegleiter, aus denen mittlerweile Freunde wurden. Ich sehe die Möglichkeit des Studierens nicht als selbstverständlich an, im Gegenteil, es ist ein Privileg.

Wie stellst du dir deine berufliche Zukunft vor?
Würden Sie mich (klassischerweise) fragen, wo ich mich in den nächsten 10 Jahren sehe, so würde ich antworten: „Ich möchte bleiben, an der Universität forschen, publizieren, meinen Doktor machen und hier unterrichten.“ Für Bewerbungsgespräche bin ich übrigens jederzeit erreichbar unter 0664/…

Wort-Rap:

Mein erster Tag an der Uni war … beeindruckend.
Mein großartigstes LV Erlebnis war… kein Erlebnis an sich, sondern die Erkenntnis, dass es in Lehrveranstaltungen auch ohne Laptop und Smartphone geht. Und das besser!
Meine Uni ist … familiär, unterstützend, kompetent.
Mein Studi-Leben geht nicht ohne … klingt vermutlich klischeehaft, ist aber tatsächlich Kaffee.
Mich inspirieren… Menschen, die nicht ruhig in ihrem Sessel sitzen bleiben, sondern nachsehen, ob das Gras auf der anderen Seite des Weges grüner ist. Menschen, die es einfach ausprobieren, (eigene) Grenzen und Konventionen zu überschreiten, Risiken einzugehen. Menschen, die keine Angst vor Veränderungen haben, um Glück zu finden. Also mein Papa.
Mein Studium in drei Worten … „unmöglich zu beschreiben“ Ich studiere Germanistik, Sie können mich nicht auf drei Worte beschränken 😊. Wenn ich es müsste, dann eines: Onomatopoetikum.