Komet über Heidelberg | Illustration Matthäus Merians. In: Theatrum Europaeum (1635). Bd. 1, S. 101.

Mehr als ein Religionskrieg: Zum 400. Jubiläum des Dreißigjährigen Krieges

Am 23. Mai 1618 begingen protestantische Stände Gewalthandlungen an katholischen Statthaltern der Habsburger in Prag. Der Prager Fenstersturz war der Beginn des Dreißigjährigen Krieges, der in den folgenden Jahrzehnten – begleitet von Hungersnöten und Seuchen – ganze Landstriche Europas entvölkern sollte. Das Institut für Germanistik der AAU lädt in Kooperation mit der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld von 22. – 23. Mai 2018 zu einer internationalen Tagung „Der Dreißigjährige Krieg – Ereignis und Narration“, gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung. Dabei soll dem vornehmlich als Religionskrieg erzählten Geschehen vieldimensional auf den Grund gegangen werden.

„Der Dreißigjährige Krieg wurde spätestens in der Nachfolge von Friedrich Schiller, der eine große Abhandlung darüber geschrieben hat, als Religionskrieg gesehen. Wenn man allerdings genauer hinschaut, ist das eine sehr schlichte Erzählung, die nicht dazu angetan sein kann, eine lineare Erklärung für die Geschehnisse zu geben“, so Tagungsleiterin Sabine Seelbach (Institut für Germanistik). Es sei eine ganze Vielfalt dynastischer Interessen und persönlicher Ambitionen von beschränkter temporärer Gültigkeit, die dafür verantwortlich zeichnet, dass man sich drei Jahrzehnte lang militärisch auseinandersetzte.

Als Beispiel nennt Seelbach das Moment einer persönlichen Kränkung, das mitunter dem Prager Fenstersturz zugrunde lag: „Graf Heinrich von Thurn wurde die Funktion als Burggraf von Karlstejn entzogen, nachdem er sich bei der Abstimmung für den neuen böhmischen König gegen den Habsburger Ferdinand entschieden hat. Dieses Amt als Burggraf von Karlstejn ist hoch symbolisch, hütet er doch die böhmischen Kronjuwelen. Von Thurn wurde dafür abgestraft und ersetzt durch den erzkatholischen Jaroslav von Martinic. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, warum nun von Thurn den von Martinic aus dem Fenster wirft“, erklärt Seelbach.

Den Literaturwissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern stehen eine Reihe von Quellen zur Verfügung, um den Geschehnissen auf die Spur zu kommen: So sind sowohl literarische Texte, als auch die zeitgenössische Presse, Flugblätter und autobiographische Notizen Gegenstände der Untersuchung. Für Sabine Seelbach lohnt sich die Beschäftigung mit der Vielgestaltigkeit von Kriegsursachen auch, um heutige Konfliktregionen besser zu verstehen: „Ich sehe Parallelen zu den Geschehnissen im Nahen Osten. Auch hier ist der verfremdete Blick des Westens sehr einfach. Man sieht den Glaubenskrieg, man sieht aber nicht die Akteure und die temporären Bündnisse, weil das Grundverständnis der Ethnien und deren Geschichte fehlt.“

Weitere Informationen zur Tagung unter https://www.aau.at/blog/der-dreissigjaehrige-krieg-ereignis-und-narration/.