Mediatisierung als Frage von Generationen oder Individuen
Mediale Wandelprozesse fordern nicht nur Gesellschaften als Kollektiv, sondern gleichermaßen deren Mitglieder auf individueller Ebene. Oftmals werden im öffentlichen Diskurs Generationenkonzepte (wie beispielsweise die Digital Natives) herangezogen, um die Rolle von Medien zu beschreiben. Ein Sammelband beschäftigt sich nun mit Medien, Biografien und Generationen – und kommt dabei zum Ergebnis: Entscheidend ist das Individuum mit seiner Biografie, weniger die Generation, in die jemand hineingeboren wird.
Diskussionen darüber, welche Rolle Medien in den Biografien von Menschen spielen und wie sich diese zwischen Generationen unterscheiden, bleiben oft an der Oberfläche. Die einen würden stundenlang vor ihren Smartphones hängen und ihr Bild von sich und der Welt wäre stark von dem geprägt, wem und was sie online begegnen. Und die anderen würden mehr oder weniger unbedarft mangels generationsbedingter Kompetenz durch die Medien stolpern.
Christian Oggolder und Caroline Roth-Ebner haben nun einen Sammelband zu „Medien – Biografien – Generationen. Theoretische, empirische und praktische Perspektiven“ herausgegeben, in dem sie populär gewordene Generationskonzepte in Hinblick auf den Medienwandel hinterfragen, denn: „Mediengenerationen entsprechen nicht bloß Geburtskohorten, sondern werden durch die persönliche Medienbiografie eines Individuums geprägt.“ Jemand, der also nach 1996 geboren ist, ist als Mitglied der Digitale Natives, auch Generation Z genannt, nicht automatisch jemand, der digitale Medien umfangreich nutzt. Die Bedeutung von Medien für die eigene Biographie hängt von der individuellen Biografie ab.
Die Herausgeber:innen betonen, dass quantitative Untersuchungen darüber, wer welche Medien wie lange nutzt, nur einen beschränkten Einblick bieten können. Biografische Methoden hingegen könnten „die Heterogenität der Mediennutzung in unterschiedlichen Lebensphasen besser abbilden, indem sie sich auf individuelle Lebenswelten konzentrieren und Menschen selbst zu Wort kommen lassen“.
Aus diesem Grund haben Christian Oggolder und Caroline Roth-Ebner nun Beiträge von 16 Wissenschaftler:innen zusammengestellt, die sich den individuellen Alltagserfahrungen und (mediatisierten) Lebenswelten der Menschen sowie der Frage nach generationsspezifischen Mediennutzungsweisen und medienpädagogischen Konsequenzen widmen. „Evident wird in all diesen Beiträgen, wie wichtig eine präzise theoretische Herleitung und Definition von Begriffen im jeweiligen theoretischen oder empirischen Kontext ist“, so die Herausgeber:innen. Darüber hinaus betonen sie, dass „qualitative Forschungsansätze notwendig sind, die für Medienbiografien relevante Subjektivität zu erfassen“. Dabei nehmen sich die Forscher:innen selbst nicht aus, denn es gelte, „auch die Subjektivität der Forschenden methodologisch einzubeziehen“.
Christian Oggolder & Caroline Roth-Ebner (2024). Medien – Biografien – Generationen. Theoretische, empirische und praktische Perspektiven. Baden-Baden: Nomos, open access unter http://www.nomos-elibrary.de/index.php?doi=10.5771/9783748914679.