Alexander Brenner & Monika Skazedonig mit Tabea | Foto: aau/Müller

Leben und leben lassen

Für die einen sind sie Ökorevoluzzer, für die anderen ohnehin schon Mainstream. ad astra hat Monika Skazedonig und Alexander Brenner mit ihrer Tochter Tabea zum Gespräch über Nachhaltigkeit in Theorie und Praxis gebeten.

Wir wissen alle, dass es für das Leben der Kinder unserer Tochter, so sie welche bekommt, eng wird“, erklärt Alexander Brenner, Student eines individuellen Masterstudiums, kombiniert aus Kulturwissenschaften, Nachhaltigkeit und Gruppendynamik. Für die Familie Skazedonig- Brenner ist die Konsequenz daraus ein nachhaltiger Lebensstil.

Fragt man die beiden danach, ob sie sich als Außenseiter sehen, stellen sie verschiedene Perspektiven in den Raum: „Für die einen sind wir schon Ökorevoluzzer, für die anderen eh schon Mainstream.“ Die Familie denkt Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen. Nachhaltig handeln könne man als Individuum, als Gruppe und als Gesellschaft. Letztlich effektiv beeinflussen könne man aber nur sein eigenes Wirken und Denken, und dort setzen die beiden auch konsequent an. Monika Skazedonig erzählt von ihrer Wende hin zu nachhaltigerem Konsum: „Zu Beginn meines Studiums, das ich mit Selbsterhalterstipendium betrieben habe, habe ich sehr günstige Lebensmittel gekauft. Anders war es nicht möglich bzw. es schien mir auch der Lifestyle des studentischen Lebens zu sein. Später habe ich mich gefragt: Will ich das überhaupt?“ Heute kauft die Familie ihre Nahrungsmittel am Waidmannsdorfer Bauernmarkt ein, weil das regional produzierte Gemüse qualitativ hochwertiger, nahrhafter und sogar billiger ist.

Um das Neukaufen ohne eigentlichen Bedarf zu reduzieren, ist Brenner bisher immer in leere Wohnungen eingezogen und hat sich nur gekauft oder besorgt, was er tatsächlich gebraucht hat. „Auf diese Weise konnte es auch passieren, dass ich noch mehrere Wochen keinen Tisch hatte, weil ich eben keinen brauchte.“ Die Küche in der gemeinsam bewohnten Genossenschaftswohnung hat er mit seinem Vater selbst gebaut, die Geräte stammen nicht von Amazon, sondern vom lokalen Elektrobetrieb oder sind gebrauchte Geräte, die sie geschenkt bekommen haben. Monika Skazedonig erklärt: „Wir wollten so einen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung leisten.“ So gebe es manchmal Teureres, aber weniger Überfluss, weil vieles einfach nicht gebraucht wird.

Die Familie Skazedonig-Brenner wirkt in ihrer Vision nicht wie vom Verzicht geplagt. „Man kann den Riesenpacken Werbematerial im Postkasten auch einfach wegwerfen, dann sieht man gar nicht, was man alles haben wollen könnte“, so Monika Skazedonig. Stellt man die These in den Raum, nachhaltig (nicht) zu konsumieren sei karg, reduziert, spaßfrei, werden die beiden nachdenklich. Die Entscheidung für ihre Lebensweise sei der Versuch, eine umfassende Ökonomiekritik und Degrowth-Perspektive sinnstiftend in die Praxis zu übertragen. Von den in Österreich sozial gerecht produzierten Waldviertlerschuhen bis zu den Hosen aus Hanf, für deren Produktion weniger Wasser verbraucht wird als für Baumwolle – hinter dem Handeln steckt viel Denken und auch viel Wissen. Alexander Brenner führt aus: „Der ökologische Status der Erde, das sich selbst ausbrennende System stets nötigen Wirtschaftswachstums und die Tatsache, dass sehr wenige Wohlhabende auf Kosten sehr vieler Armer leben; all das zeigt uns, dass wir die herrschenden Paradigmen hinterfragen müssen.“ Der Baum wachse auch nur, bis er ausgewachsen sei. Daher brauche es für die ineinander fließenden ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Ebenen unserer Gesellschaft auch einen anderen Umgang mit Wachstum. Und das schließt für die beiden mit ein, dass Produktion und Konsum, daher der Materialdurchfluss unseres Wirtschaftskreislaufes, reduziert werden müssen.

Konsum und das Denken in wirtschaftlichen Kreisläufen sei aber nur ein Teil einer nachhaltigen Entwicklung. Skazedonig und Brenner verweisen auf kulturelle Nachhaltigkeit: „Jeder einzelne, jede Organisation, jede Institution muss durch Selbstreflexion zu einem nachhaltigen Weg finden. Dieses Wissen kann nicht zentral gepredigt werden, sondern muss partizipativ und gestalterisch entstehen, in einem kulturellen Prozess“, so Brenner. Für ihn können schließlich nur Institutionen und Gruppen nachhaltig sein, die es wagen, nicht nachhaltige Imperative über Bord zu werfen. In diesem Sinne haben sich Brenner und Skazedonig auch viele Jahre in die Arbeit der Österreichischen HochschülerInnenschaft in Klagenfurt eingebracht, um dort an der Umsetzung dieser Prozesse zu arbeiten.

Monika Skazedonig hat Medien- und Kommunikationswissenschaft an der AAU studiert und ihre Diplomarbeit über Dumpstern (Kontainern) als Praktik kultureller Nachhaltigkeit geschrieben. Sie arbeitet derzeit als Koordinatorin des Kärntner Netzwerks gegen Armut und soziale Ausgrenzung und beschäftigt sich daher beruflich mit der Ursache prekärer Lebenssituationen, dem Wandel des solidarischen Sozialstaats und den öffentlichen Diskursen über Menschen „am Rande der Gesellschaft“. Am Scheideweg zwischen Studienabschluss und Berufstätigkeit, an dem Brenner gerade steht, winke auch für AkademikerInnen oft das Präkariat. Man müsse sich fragen, was man will, womit man sein Geld verdienen will und wieviel Zeit man dafür aufzubringen bereit ist. Brenner wird im nächsten Semester eine studierendenorganisierte Lehrveranstaltung im Studienbereich „Nachhaltigkeit“ leiten und seine Masterarbeit in Angriff nehmen. Was danach kommt, ist offen. Und an diesem Punkt wirken die beiden gelassener, als man es vom Mainstream kennt. Alexander Brenner mit liebevollem Blick zu seiner Tochter, die in dem Moment auf seinem Schoß herumturnt und neugierig die Büroräumlichkeiten erkundet: „Sie zeigt mir viel, was mir vorher nicht so bewusst war. Sie ist einfach da. Und voller Energie, Tatendrang und Kreativität. Sie hat keine Sorge, keine Angst vor der Zukunft. Dieses Vertrauen möchte ich mir auch bewahren. In meine Kreativität; dass mir schon etwas einfällt, wenn es soweit ist.“ Ein kleines Zögern ist da, während er dies ausspricht. Aber auch sehr viel Hoffnung. Nicht nur auf der Ebene seiner Kleinfamilie, sondern auch für die gesamte Gesellschaft: „Die Erde ist ja auch nicht von einem Tag auf den anderen in diesen Zustand geraten, sondern es hat lange gedauert. Umgekehrt wird es auch dauern, nachhaltiges Denken breiter zu verankern. Aber ich bin optimistisch, dass dies gelingt.“

für ad astra: Romy Müller

Studienangebote zum Thema Nachhaltigkeit

Der Studienzweig Energie- und Umweltmanagement im Masterstudium Angewandte Betriebswirtschaft, das Masterstudium Science, Technology & Society Studies sowie das Masterstudium Sozial- und Humanökologie; die Erweiterungscurricula Nachhaltigkeit sowie Wissenschafts- und Technikforschung, das Wahlfachmodul oder das Zertifikat Nachhaltige Entwicklung.
Weitere Infos unter www.aau.at/nachhaltigkeit-studieren