Kevin Tewe: „Früher war Geld die Macht, heute ist die Macht Reichweite.“

Unser Absolvent Kevin Tewe hat schon vor 10 Jahren im Studium Medien- und Kommunikationswissenschaften gelernt, wie man auf Facebook Follower gewinnt. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Heute managt er mit seiner Firma ALL IN die größten deutschen Influencer*innen. Wieso die harte Arbeit bei 100.000 Followern erst beginnt und wie seine Arbeit auch sein Privatleben beeinflusst, darüber sprechen wir mit ihm im Interview.

Was hat Sie damals an die Universität Klagenfurt gezogen?

Freunde von mir haben in Klagenfurt Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert. Sie waren im ersten Semester vom Bachelor und haben vom Studium in Klagenfurt geschwärmt. Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade auf Reisen in Australien und bin danach direkt nach Klagenfurt gezogen. Das Studium war für mich ideal, damals wollte ich Spielerberater für Profi-Fußballer werden. Die Vertiefung Public Relations war damit sehr interessant.

Was war für Sie ein unvergessliches Erlebnis Ihrer Studienzeit?

Meine gesamte Studienzeit war richtig schön. In Klagenfurt ist gefühlt immer gutes Wetter, das Studierendenleben mit dem Wörthersee und nebenbei zu arbeiten war großartig, zusätzlich konnte ich mit Freunden Zeit verbringen.

Wenn ich noch einmal studieren würde, würde ich… mir mehr Zeit lassen. Ich hatte fomo (=fear of missing out) und wollte unbedingt zu arbeiten beginnen.

Gab es Momente oder Personen in Ihrem Studium, die Sie besonders geprägt haben?

Es gab drei Professor*innen, die mich aufgrund ihrer Seminare sehr geprägt haben. Professor Manfred Greisinger zum Thema Personal Branding, Professorin Christina Cerne zum Thema Lobbyismus und Verhandlungsrollenspiele, und Professor Martin Schoiswohl zum Thema Imagebranding von Marken.

War für Sie von Beginn an klar, dass Sie nach dem Bachelor nach Deutschland zurückkehren?

Ich konnte mir vorstellen in Klagenfurt zu bleiben und habe mich sowohl hier, als auch in Köln beworben. Ich habe dann den Job in Köln bekommen, somit wurde mir die Entscheidung abgenommen.

Wie hat sich Ihr Weg vom Studium bis heute entwickelt?

Ich habe nicht den geraden Weg genommen und einige Abstecher gemacht. Ich habe direkt im Künstlermanagement für TV-Persönlichkeiten bei einer kleinen Agentur in Köln begonnen. Nach einem Jahr habe ich bei einer größeren Agentur im Künstlermanagement für TV-Persönlichkeiten ein Volontariat begonnen. Dort habe ich aber relativ schnell abgebrochen, weil ich überfordert war. Bevor ich an der Sporthochschule Köln meinen Master begonnen habe, habe ich eine Firma gegründet, das hat aber nicht so einfach funktioniert, wie ich dachte. Dazwischen habe ich bei der Ketchum Pleon GmbH ein Praktikum gemacht und Kunden wie Sennheiser und Mercedes betreut. Nach zwei Monaten im Master wurde ich von der Firma abgeworben, bei der ich mein Volontariat abgebrochen hatte und durfte meinen Chefs nach einem Monat pitchen, wie wir mit Content Creatern / YouTubern, zusammenarbeiten könnten. Sie haben mir damals die Chance gegeben, das nebenbei im Unternehmen zu entwickeln. Damals, vor sechs Jahren, hat noch niemand daran geglaubt, dass es funktioniert mit Content Creatorn zusammenzuarbeiten. Wenn man darüber nachdenkt, ist es noch gar nicht so lange her. Ich wurde dann von einem Unternehmen in Berlin abgeworben, um dort eine Abteilung aufzubauen, die mit Content Creatorn zusammenarbeitet. Im November 2017 habe ich mich dann selbstständig gemacht. Damals hatte ich eine Mitarbeiterin und heute sind es 15 Mitarbeiter*innen in Köln und Berlin im Artist Management. Wir managen 25 Personen: die besten in unserem Markt. Unter 100.000 Followern kommt man nicht rein und es gibt eine Warteliste. Wir nehmen nur Creator und Mitarbeiter, die Spaß am Job und eine Vision haben, und einen Traum haben, wo es einmal für sie hingehen soll. Sie müssen Lust haben etwas zu erreichen und dafür auch arbeiten. Natürlich müssen wir auch wirtschaftlich denken, wir müssen ja 15 Mitarbeiter*innen, Miete usw. bezahlen. Wenn eine Influencer*in bei uns anfängt, bedeutet das nicht, dass er/sie es geschafft hat; ganz im Gegenteil, die Arbeit beginnt dann erst so richtig. Dabei stehen wir hinter (fast) allem was die Influencer*innen sagen. Wenn mal was nicht ganz glücklich läuft, bekommen wir es spätestens über ihre Inhalte auf den Plattformen mit. Darüber reden wir dann kurz und was daran negativ und positiv war. Wir erstellen nicht den Inhalt, das machen sie selbst, dementsprechend sind wir nicht immer im Bilde, was passiert. Wir sind Berater, unterstützen sie und stehen in jeder beruflichen und privaten Lage hinter ihnen.

Follower sehen die umfangreichen Inhalte der Artists. Sie sagen, dass diese ihren Content selbst planen, was sind eure Aufgaben?

Wir überlegen uns das Personal Branding, also wie die Artists besonders werden und aus der Masse herausstechen. Wir finden heraus, was sie ausmacht, wie sehen sie aus, wie geben sie sich, was sagen sie, was macht sie besonders, wer sind sie, damit sie später jeder kennt. Wir begleiten sie auf diesem Weg, führen Kooperationsverhandlungen, planen Reisen, stellen ihnen Finanz- und Versicherungsberater an die Seite, bearbeiten Emails und Presseanfragen. So bekommt man einen gesamten Überblick über den Markt. Bei uns ist es der Beauty & Lifestyle Markt, in dem wir unseren Fokus haben. Und durch das Wissen, was wir hier sammeln, wissen wir ganz genau, welcher Artist zu welcher Marke passt.

Das klingt alles sehr positiv. Es gibt aber auch eine negative Seite. Wie sieht die aus?

Etwas bekommt nie jemand mit: den Shitstorm abwenden, bevor er kommt oder Informationen geheimhalten bzw. richtig kommunizieren. Hier geht es oft um Kleinigkeiten, jemand ist schwanger, heiratet, hat etwas gekauft, hat Mist gebaut. Wir wissen hier meist vorher, wie es ausgeht, wenn es nicht gut kommuniziert wird. Sie können ja machen was sie wollen, aber wie du es rüber bringst, ist das Wichtigste. Das habe ich an der Uni gelernt und darum kümmern wir uns. Die Frage ist, wie kommunizierst du etwas, damit es positiv aufgefasst wird. Hier beraten wir sie, bevor etwas veröffentlicht wird oder eskalieren könnte. Unsere Kund*innen sind zwischen 18 und 29 Jahre alt und müssen sich mit Dingen beschäftigen, die für andere in dem Alter noch kein Thema sind. Hier holen wir sie ab und unterstützen sie. Sehen wir uns die Whataboutism-Culture an: das ist wirklich problematisch. Ein Beispiel:  „Du isst kein Fleisch, aber du hast Ledersitze im Auto.“. Dann beginnt die Cancel-Culture „Cancel die Person!“, dadurch kommt es zu unzähligen De-Abbos. Im Jahr 2020 war das ein großes Thema. Hier müssen wir dann reagieren.

Manchmal kommen wir auch in die Situation, dass wir merken, dass eine Person nicht arbeitet und sich nicht anstrengen möchte. Wir heißen ALL IN, das bedeutet, wir geben Alles und wenn wir als Team alles Erdenkliche tun um jemanden zu pushen und nach vorne zu bringen, aber nichts zurückkommt, müssen wir uns auch von dem Artist trennen, wie es auch andersherum wäre, wenn wir nicht jeden Tag Vollgas geben.

Sie haben sich mit ALL IN vor über drei Jahren selbstständig gemacht und bauen die Marke immer weiter aus. Was ist noch geplant?

Unser Standort in Berlin wird nach der Pandemie weiter aufgebaut. Wir wollen definitiv noch wachsen. Meine Motivation ist es, Menschen zu helfen, die nicht wissen wer sie sind, die nichts aus ihrem Leben machen oder die falsch gemanagt werden. Auch im privaten Leben helfe ich liebend gerne meinem Umfeld.

Fazit: Ich muss also wachsen, um mehr Menschen helfen zu können. Neben dem ALL IN Artist Management, habe ich ALL IN Publishing und ALL IN Records gegründet. Gerade die Musikindustrie ist meiner Meinung nach alt und antiquiert. Es gibt Musiker*innen, deren Verträge sie unfähig machen, ihren Beruf bestmöglich auszuüben, dass sie gar nicht die Chance haben erfolgreich oder gar berühmt werden zu können. Und gerade heute, wo der/die Künstler*in selber die Macht hat, zu zeigen was er/sie kann, sind diese Strukturen nicht mehr zeitgemäß. Früher war die Macht Geld, heute ist die Macht Reichweite. Mit Reichweite kannst du alles kommunizieren, du musst keine Slots in der TV Werbung buchen, oder eine Seite in einem Print-Medium. Du bist selbst in der Position, alles zu tun, was du möchtest. Und damit kann natürlich auch Geld verdient werden und das kann jede/r Künstler*in selbst erreichen. Unsere Vision ist daher „Empower the Artist“. Das verfolgen wir und wir sind noch lange nicht dort wo wir sein könnten.

Wie ist es für Sie mit einer Influencerin mit 720.000 Followern verheiratet zu sein?

Dass die Zahl oder die Bekanntheit keine Rolle in unserem Privatleben spielt, sollte klar sein. Der Vorteil ist aber ganz klar: Sie versteht meinen Job und ich verstehe ihren. Dadurch haben wir beide die Ruhe dem Anderen nichts erklären zu müssen und können uns gegenseitig unterstützen.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf am meisten?

Ich liebe es, Menschen weiterzubringen und einfach zu machen. Ich möchte die Gesellschaft damit positiv verändern, man kann über Themen sprechen, für die dir sonst niemand eine Plattform gibt. Dadurch können wir auch die Industrie entwickeln. Ich habe nie Langeweile, weil sich der Bereich so schnell verändert und ich lerne tolle Menschen kennen.

Was verbindet Sie heute noch mit der Universität?

Mein Titel (lacht) und ein Studienkollege und guter Freund, wegen dem ich auch ab und zu noch nach Klagenfurt komme. Insbesondere verbindet mich mit der Uni die Erfahrung und das Wissen, das mich als Mensch geprägt und mein Leben verändert hat. Ich spreche auch oft von meiner Studienzeit und schwärme über die tolle technische Ausstattung der Universität Klagenfurt, insbesondere im Medienlabor. Wir hatten schon vor 10 Jahren Touch Screens, 3d Kameras und sehr gute Rendering Hardware. Das ist nicht selbstverständlich.

Was würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?

Einen Tipp, von einem ehemaligen Professor: Visualisiert eure Ziele und stellt euch bildlich vor wir ihr genau in der Situation seid. Das hat mir sehr geholfen mein Leben zu planen, insbesondere in der Selbstständigkeit. Ich hatte so viele Praktikantenjobs und bin jetzt Marktführer. Wer hätte sich das gedacht? Wenn ich nicht daran geglaubt hätte, dann hätte das auch niemand anders getan.

Auf ein paar Worte mit Kevin Tewe

  • Denke ich an Klagenfurt, denke ich sofort an… Gösser Radler und Wörthersee.
  • Mein Lieblingsort an der Universität war… der Uniwirt.
  • Das mache ich morgens zuerst im Büro… Wasser auffüllen und jedem Hallo sagen, den Rechner anschalten, Whatsapp-Nachrichten und Emails checken.
  • Mein Studium in 3 Worten: modern, wegweisend, entspannend