Screenshot iknowwhereyourcatlives.com

„Ich weiß, wo deine Katze lebt“

Fulbright-Gastprofessor Owen Mundy untersucht Unterschiede von Datenschutzgesetzen in der EU und den USA und wie Menschen mit digitaler Überwachung umgehen. Im Interview mit ad astra erzählt er, was Apps wie Facebook über uns wissen und wie er Instagram nachhaltig verändert hat.

Herr Mundy, Sie haben ein Semester am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft gelehrt und geforscht. Was sind die Schwerpunkte Ihrer Forschungstätigkeit?
In Klagenfurt habe ich an zwei Projekten gearbeitet. Einerseits untersuche ich die unterschiedlichen Gesetzeslagen hinsichtlich Datenschutz in der EU und den USA. Diese Unterschiede sind problematisch, weil Menschen aus der EU Apps von Anbietern nutzen, die in den USA ansässig sind, wie Facebook oder Instagram, und so amerikanisches Recht zur Anwendung kommt. Mich interessiert, wie sich die Kultur und der Umgang mit diesen Apps in Europa unterscheiden und was Studierende, die diese Technologien entwickeln werden, darüber denken. Die Studierenden in meinen Kursen waren aus Österreich, Slowenien, der Türkei sowie dem Irak und brachten so unterschiedliche Perspektiven auf die Themen Datenschutz und -sicherheit ein.

Und Ihr zweites Projekt?
Eine Publikation zu „Free Market Privacy“ und der Frage: Können persönliche Daten am freien Markt geschützt werden? Im Gegensatz zu den USA dürfen in der EU Daten von NutzerInnen nicht ohne deren Zustimmung verwendet werden. Der amerikanische Fachverband für Online-Werbung argumentiert, dass Datenschutz die Wirtschaft hemmt. Unternehmen nutzen Daten, wie sie wollen, und es wird nie ein Gesetz dagegen geben. Der einzige Weg, dies zu ändern, ist den Umgang und das Bewusstsein der NutzerInnen zu ändern.

Womit beschäftigten Sie sich in Ihren Lehrveranstaltungen an der AAU?
Wir haben in den ersten Wochen vor allem die Situation in Österreich beleuchtet, über den Rechtsstreit von Max Schrems vs. Facebook diskutiert und uns dann mit der Geschichte von Überwachung beschäftigt und wie eine Gesellschaft damit kontrolliert werden kann. Es war spannend, die Meinungen von Studierenden hier in Europa zu hören.

Welche Unterschiede zu Studierenden in den USA konnten Sie feststellen?
Beim Thema Überwachung und Privatsphäre gibt es wirklich große Unterschiede. Viele junge Menschen in den USA downloaden blindlings alle möglichen Apps auf ihr Smartphone. Sie sind bereits an den Handel mit ihren persönlichen Informationen gewöhnt. Es stört sie nicht, dass Unternehmen auf ihre Daten zugreifen können.

Und hier in Europa ist das anders?
Nicht, dass Menschen in der EU das nicht auch tun, aber sie sind über digitale Überwachung und über die Implementierung von Technologien in bestimmten Bereichen viel beunruhigter. Sie stehen den Unternehmen, die im Internet agieren und mit persönlichen Daten von UserInnen Geld verdienen, skeptischer gegenüber und sind sich der damit verbundenen Problematik stärker bewusst.

Woran liegt das?
Für viele Menschen in den USA ist das Internet kommerziell – Unternehmen machen mit Daten von KonsumentInnen Geschäfte. Das wissen auch viele, aber sie sagen: Was ist denn so schlimm daran, wenn ich Werbeanzeigen gezeigt bekomme, die perfekt auf mich und meine Interessen abgestimmt sind? Das Kaufverhalten mithilfe von Daten zu ändern ist das eine, aber was ist, wenn meine Wertvorstellungen und Entscheidungen beeinflusst werden? Wir haben in meinem Kurs hier in Klagenfurt einen Artikel darüber gelesen, wie der republikanische Präsidentschaftskandidat Ted Cruz in den Vorwahlen Facebook-Daten mit Kreditkarten-Käufen abgeglichen hat, um zielgruppengerichtete Werbung zu schalten und so Einfluss auf das Wahlverhalten nehmen zu können. Dies wäre in der EU niemals möglich.

Eine Reaktion auf die losen Datenschutzgesetze in den USA ist Ihr Projekt „I know where your cat lives“. Wie kam es dazu?
Ich habe meine Tochter fotografiert und die Fotos auf Instagram hochgeladen. Instagram fühlt sich wie ein sehr privater Raum an, und man vergisst schnell, dass sich jeder deine Bilder ansehen kann. Durch Zufall entdeckte ich den Standort-Button und dass mein Smartphone automatisch meine geographischen Koordinaten in meine Fotos einband. Instagram machte diese Daten jedem zugänglich. Das bedeutet, dass ich allen den Standort meiner Tochter in Echtzeit gezeigt habe. Ich habe der App aber niemals meine eindeutige Zustimmung dafür gegeben. So sammelte Instagram massenweise persönliche Daten. Ich fühlte mich betrogen und wollte diese unheimliche Erfahrung mit anderen teilen. Deshalb startete ich das Projekt „I know where your cat lives“.

Worum geht es genau?
Auf einer Weltkarte werden über eine Million Fotos von Katzen dargestellt, und zwar mithilfe der eingebetteten Metadaten. Die Fotos wurden von UserInnen auf diversen Fotoplattformen veröffentlicht, und ich zeige sie über öffentliche Schnittstellen auf der Website an. Ich wollte einen spielerischen Zugang wählen und so Menschen darauf aufmerksam machen, wie leichtfertig sie mit ihren Daten umgehen.

Welche Reaktionen hat Ihr Projekt hervorgerufen?
60 Prozent der UserInnen haben mittlerweile die Geodaten ihrer Fotos manuell entfernt. Nach dem Launch meiner Website änderte Instagram die Funktion, und so werden Fotos jetzt nicht mehr automatisch mit geographischen Koordinaten getaggt. Das Projekt soll aber vor allem auf das Problem hinweisen, dass Firmen in den USA nach dem Prinzip „public first“ anstelle von „private first“ ihre Software programmieren und so davon profitieren. Seit einiger Zeit macht Instagram die Geodaten nicht mehr öffentlich verfügbar. Man muss sich vorstellen, dass vorher jeder – sei es Ted Cruz oder Kim Jong-un – meine Daten nutzen konnte.

Warum Katzen?
Ich hätte auch Kinderfotos nehmen können, dann wäre es wirklich gruselig geworden. Der lustigere Ansatz über Katzen war viral sehr erfolgreich und hat eine öffentliche Diskussion entfacht.

Nutzen Sie Facebook und Instagram noch?
Ja! Als jemand, der darüber forscht, schreibt und lehrt, muss ich diese Plattformen nutzen.

für ad astra: Katharina Tischler-Banfield

Zur Person

Owen Mundy forscht zu den Themen Datenschutz, Big Data und öffentlicher Raum. Nach Stationen an der University of California und der Florida State University ist er ab 2017 am Davidson College in North Carolina tätig.

Zum Projekt

Auf der Website iknowwhereyourcatlives.com finden sich nach wie vor tausende Katzenfotos aus aller Welt. Die Ausstellung zum Projekt „I know where your cat lives“ tourt derzeit durch Singapur und die Niederlande.

Owen Mundy | Foto: aau/Tischler-Banfield