Jennifer Simonjan

„Ich habe mir das hart erarbeitet“

Jennifer Simonjan arbeitet an Kameranetzwerken. Im Gespräch mit ad astra erzählt sie, warum sie sich nicht vor allgegenwärtiger Kameraüberwachung fürchtet, was sie zuletzt in Atlanta über Nanokameras gelernt hat und wie sie es als First-Generation-Studierende aus einem wenig technikaffinen Umfeld an ihre derzeitige Stelle geschafft hat.

Lange habe nichts darauf hingedeutet, dass aus Jennifer Simonjan eine Technikerin werden könnte, erzählt uns die Universitätsassistentin beim Interview. Sie habe weder früh einen Computer gehabt noch sei sie viel vor PC-Spielen gesessen. Ihre Eltern, der bulgarische Vater lebt in Deutschland und die österreichische Mutter in Kärnten, haben keinen akademischen Background. In der Schule bemerkte Simonjan trotzdem bald: „Mathematik fällt mir leicht.“ Sie hat sich dann nach ihrer HBLA-Matura für das Studium der Informationstechnik in Klagenfurt entschieden. Was dann folgte, war „harte Arbeit“: „In den ersten drei Semestern habe ich in den Kursen, in denen viele HTL-AbsolventInnen saßen, so gut wie nichts verstanden. Aber irgendwann ist der berühmte Knopf aufgegangen und mir wurden die größeren Zusammenhänge klar. Seither macht mir mein Fach Spaß und ich könnte mir nicht vorstellen, etwas anderes zu tun.“

Jennifer Simonjan arbeitet heute als Universitätsassistentin in der Arbeitsgruppe von Bernhard Rinner am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme. Ihr Schwerpunkt sind Kameranetzwerke, in denen die Kameras miteinander kommunizieren, um gemeinsame Ziele zu erreichen. „Nehmen wir als Beispiel einen Tierpark. Der Betreiber möchte wissen, wo sich die Tiere wann aufhalten. Nun kann man dazu 50 Kameras in diesem Tierpark aufhängen. Ziel meiner Arbeit zur Lokalisierung in Kameranetzwerken ist es nun, dass die Kameras selbst herausfinden: Wer ist mein Nachbar? Wem kann ich Aufgaben übertragen? Wer schaut wohin? Solche Technologien sollen die Installation von Kameranetzwerken erleichtern.“

Um dazu zu forschen, hat Simonjan zu Beginn einen Simulator gebaut, der es ihr ermöglicht, Algorithmen für die Kameranetzwerke zu testen. Im letzten Jahr hat sie dann am so genannten Kalibrierungsalgorithmus gearbeitet, der die Nachbarschaftsbeziehungen im Kameranetzwerk optimal berechnet. Gefragt danach, ob sie eine Welt voller Kameraüberwachung nicht beunruhigend findet, meint sie: „Ich fühle mich davon nicht bedroht. Unsere Forschungsgruppe arbeitet an dem Schutz der Privatsphäre in Kameras. Es geht darum, dass die Bilder die Kamera gar nicht mehr verlassen, sondern beispielsweise nur melden, wenn etwas auffällig ist. Sinnvoll einsetzbar ist das beispielsweise bei Technologien, die älteren Menschen das gefahrlose Verbleiben in ihren eigenen Wohnräumlichkeiten ermöglichen. Fällt jemand um und steht länger nicht auf, kann die Kamera diese Information an die Angehörigen weitergeben.“

Zuletzt kam noch ein weiteres Forschungsgebiet für Jennifer Simonjan hinzu, verbrachte sie doch drei Monate an der Elite-Uni Georgia Institute of Technology in Atlanta, die sie nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ihr umfassendes studienbeitragsfinanziertes Angebot für Studierende faszinierte. Dort beschäftigte sich ihre Forschungsgruppe unter anderem mit Nanokameras, also Kameras, die dünner als ein Haar sind. Derzeit gibt es in dem Feld noch nichts Marktreifes; Simonjan geht aber davon aus, dass vor allem die medizinische Zukunft diesen extrem kleinen Kameras gehören wird.

Ihr Doktorat will Jennifer Simonjan im nächsten Jahr abgeschlossen haben. Was danach kommt, ist noch offen: „Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was genau ich als nächstes machen will. Aber klar ist, dass ich in der Forschung – sei es an einer Universität oder an einem externen Institut – bleiben möchte.“ Welche Möglichkeiten sich einem eröffnen, hänge dabei immer auch davon ab, inwiefern man bereit ist, in fast jede Ecke dieser Welt zu übersiedeln. Für Simonjan ist klar: „Für einen begrenzten Zeitraum kann ich überall hingehen. Ich liebe den internationalen Austausch, und es ist für mich unfassbar spannend, die grenzenlose akademische Welt kennenzulernen. Aber: Ein Haus will ich irgendwann hier in Kärnten bauen.“

In ihrem Forschungsgebiet gibt es noch scheinbar grenzenlose Möglichkeiten, die es zu entdecken gilt. Wer aber glaubt, dass es in einem Umfeld, in dem die Technischen Fakultäten stets danach trachten, (Frauen-)Quoten zu erfüllen, für eine junge Frau leichter wäre, irrt: „So mancher glaubt, man bekommt alles geschenkt. Ich habe mir das hart erarbeitet. Und leider frage ich mich nun bei Angeboten oftmals: Bin ich als Technikerin oder bin ich als weibliche Technikerin gemeint? Am Ende zählt jedoch immer gute wissenschaftliche Arbeit.“

für ad astra: Romy Müller

Auf ein paar Worte mit … Jennifer Simonjan

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
Wahrscheinlich etwas im Bereich des Künstlerischen (z. B. Schauspiel) oder des Organisatorischen (z. B. Event-Management)

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ich denke, auf einem abstrakten Level schon. Wenn nicht, werde ich ihnen diesen Artikel unter die Morgenlektüre schummeln.

Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Kaffee trinken & E-Mails lesen

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Ganz ohne an die Arbeit zu denken, über die Dissertation zu grübeln oder für KollegInnen & Studierende per Mail erreichbar zu sein, geht es bei mir nicht. Ich kann mich trotzdem sehr gut entspannen und richtig Urlaub machen.

Was bringt Sie in Rage?
Schlechter Kaffee & Fehlkommunikation

Und was beruhigt Sie?
Zeit mit Freunden oder Familie zu verbringen

Wer ist für Sie die/der größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
Es gibt viele sehr herausragende WissenschaftlerInnen, die mich schon, als ich in der Schule über sie lernte, fasziniert haben. Am bemerkenswertesten finde ich jene, die trotz geringen Mitteln Großes geleistet haben und darüber hinaus ihre Menschlichkeit nicht verloren haben.

Wofür schämen Sie sich?
Für meine Angst vor negativen Antworten

Wovor fürchten Sie sich?
Menschen, die mir wichtig sind, zu verlieren und falsche Entscheidungen zu treffen

Worauf freuen Sie sich?
Die ganze Welt zu entdecken, spannende Begegnungen zu machen und herauszufinden, was das Leben noch alles bereithält