Home-Studying im Auslandsemester: „Die kleinen Dinge weiß ich jetzt richtig zu schätzen!“

Michele Cirelli kommt aus Mailand, an der Universität Klagenfurt besucht der Austauschstudent Lehrveranstaltungen der Germanistik, Anglistik und Romanistik. Die Maßnahmen aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie (Corona) haben auch seinen Studienalltag verändert. Mit uns spricht er über die derzeitige Lage in Italien, seine Wohnsituation im Studierendenheim und erzählt uns, worauf er sich in Zukunft besonders freut.

Michele, wie geht es dir?
Es geht. Ich versuche das Positive zu sehen und verbringe die Zeit damit zu lernen oder zu trainieren, das geht sogar in einem kleinen Zimmer.

Hast du Kontakt zu deiner Familie in Italien? Wie geht es ihnen?
Ich wohne mit meinen Eltern und meiner Großmutter zusammen, sie rufen mich jeden Tag an. Glücklicherweise sind alle gesund. Meine Großmutter ist erst letzte Woche aus dem Spital entlassen worden, sie hatte eine Therapie. Wir waren alle froh, als sie wieder zu Hause war. Die Gefahr, sich in einem Krankenhaus mit dem Coronavirus zu infizieren, ist sehr hoch.
Ansonsten gleicht die Situation der in Österreich: Der einzige Grund das Haus zu verlassen, sollte das Erledigen von lebensnotwendigen Dingen sein. In Italien verlässt niemand außer meinem Vater das Haus und auch er macht das nur, um einkaufen zu gehen.

Wärst du jetzt lieber in Italien, bei deiner Familie?
Es klingt vielleicht komisch, aber ich bin froh darüber, in Klagenfurt zu sein. Natürlich vermisse ich meine Eltern und meine Großmutter, aber wir telefonieren jeden Tag. In Mailand ist die Lage bedrückend und sehr ernst. In Klagenfurt kann ich mich zumindest auf das Studium und meine Übungen konzentrieren, das lenkt mich ab.

Wann warst du zuletzt zuhause in Italien?
Vor ein paar Wochen, da war die Situation in Mailand noch nicht so schlimm. Wir konnten überall hingehen und einander treffen. Viele Menschen haben nicht verstanden, wie ernst die Lage ist – und es hat sich immer weiter zugespitzt. Alle haben begonnen Vorkehrungen zu treffen. Wir haben angefangen uns öfters die Hände zu waschen und Schutzmasken zu tragen. Dann bin ich nach Österreich gekommen und kurz darauf hat sich die gesamte Situation drastisch verändert, es hieß wir haben es mit einer Pandemie zu tun. Jetzt bin ich in meinem Studierendenheim-Zimmer und darf nicht raus.

Wie ist das Leben im Studierendenheim?
Hier ist es besonders schwer sich aus dem Weg zu gehen. Meine Nachbarin sehe ich manchmal im Gang, früher haben wir oft gemeinsam gegessen, aber das geht im Moment nicht. Social Distancing auf engem Raum ist schwer. Wenn ich Leute im Studierendenheim sehe, halten wir großen Abstand und sprechen kaum miteinander. Ich kann auch niemanden auf einen Kaffee zu mir einladen. Das ist das Komische an dieser Situation: Wir wohnen nebeneinander, können aber keine realen sozialen Kontakte haben.

Wie geht es dir im Studium, werden Online-Kurse angeboten?
Ja, mein Französischkurs wird über eine Online-Plattform unterrichtet. Anfangs war ich unsicher, ob das funktionieren kann, aber unsere Lehrveranstaltungsleiterin war sehr professionell und hat in zwei Tagen die Lehrveranstaltung auf die jetzige Situation adaptiert. Jetzt können wir face-timen, uns auf Französisch unterhalten und gegenseitig korrigieren. Natürlich ist es nicht wie an der Uni, aber die Online-Tools ermöglichen es uns, miteinander zu sprechen, in Kontakt zu bleiben und das Studium weiterzuführen. E-Learning kannte ich auf diese Art noch nicht, das ist für mich eine spannende und nützliche Erfahrung. Was ich vermisse, ist die nonverbale Kommunikation. Auch wenn der Austausch online sehr gut funktioniert, Gestik und Mimik fehlen vollkommen, das irritiert mich manchmal. Ich habe erst in den letzten Tagen verstanden, wie wichtig die direkte Lehre an der Uni eigentlich ist.

Was erwartest du vom restlichen Semester? Worauf freust du dich?
Im Moment ist alles ein bisschen blockiert. Ich spüre die Einschränkungen physisch und psychisch. Ich hoffe, dass die Lage sich bald entspannt und die Beschränkungen aufgehoben werden. Ich wünsche mir, dass ich meine Freundschaften wieder pflegen und weitere schöne Erfahrungen in Klagenfurt sammeln kann. Ich freue mich darauf, Menschen an der Uni zu treffen, einfach nur zu reden und Kaffee in der Aula zu trinken. Ungezwungen zu plaudern und Spaß zu haben. Die kleinen Dinge weiß ich jetzt richtig zu schätzen! Auch in die Lehrveranstaltungen zu gehen, zu diskutieren und Meinungen auszutauschen, fehlt mir sehr. Darauf freue ich mich besonders.