Heute schon an morgen denken

Wenn Patient*innen sich nicht mehr zu notwendigen Behandlungsmethoden äußern können, kommen im besten Fall Patientenverfügungen zum Einsatz. Da nur 0,6 Prozent der Patient*innen eine Patientenverfügung besitzen, untersucht ein Forschungsprojekt der Abteilung für Marketing und Internationales Management in Kooperation mit dem Klinikum Klagenfurt die Gründe dafür und möchte zugleich Bewusstsein für dieses Thema schaffen.   

Liegt keine Patientenverfügung vor und es besteht aufgrund eines Akutereignisses dringender Handlungsbedarf, müssen Dritte im Namen der Patientin oder des Patienten entscheiden. Um diese belastenden Situationen zu vermeiden und den Wünschen der Patient*innen besser zu entsprechen, gibt es in Österreich die Patientenverfügung. Diese legt detailliert fest, welche Behandlungen und lebensverlängernden Maßnahmen jemand möchte und was nicht infrage kommt.

„Eine Patientenverfügung ist eigentlich das Ergebnis eines längeren Prozesses, der als ‚Advance Care Planning‘ bezeichnet wird. Dabei geht es um die frühzeitige Vorausplanung der eigenen Behandlung und Versorgung in Notfällen“, erläutert Svenja Diegelmann, Doktoratsstudierende im Programm „Health and Sustainability Communication and Management (HSCM)“ an der Universität Klagenfurt.

In einer ersten Studie, die Diegelmann bereits in Kooperation mit dem Klinikum Klagenfurt durchgeführt hat, wurde erhoben, dass nur 0,6 Prozent der Intensivpatient* innen eine Patientenverfügung haben. Warum so wenige Menschen eine Verfügung besitzen und welche Hemmnisse und Barrieren es gibt, hat das Projektteam in einem zweiten Schritt evaluiert. „Viele schieben das Thema weg, weil sie aufgrund ihres Alters noch keine persönliche Relevanz sehen. Tod, Leiden, Sterben, Krankheit sind Themen, die mit sehr viel Angst besetzt sind, und deshalb möchten sich viele nicht damit auseinandersetzen“, führt Diegelmann aus. Deutlich wurde auch, dass wenige die Möglichkeit einer Patientenverfügung überhaupt kennen.

Will man eine Patientenverfügung erstellen, sollte man sich laut Diegelmann in einem ersten Schritt mit den eigenen Wertvorstellungen und Wünschen beschäftigen: Was ist mir wichtig? Möchte ich möglichst lange leben oder ist mir die Lebensqualität viel wichtiger? Welche Lebenssituationen könnte ich auf keinen Fall akzeptieren? Wenn man sich über derartige Fragen klar geworden ist, sollte man sich mit Angehörigen oder Vertrauenspersonen darüber austauschen. Für eine verbindliche Patientenverfügung, die auch im Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsanwälte hinterlegt werden kann und auf die Krankenhäuser im Ernstfall zugreifen können, ist eine ärztliche Aufklärung sowie eine Rechtsberatung verpflichtend. Eine verbindliche Patientenverfügung behält acht Jahre lang ihre Gültigkeit.

Vorliegende Patientenverfügungen erleichtern nicht nur die Arbeit der Ärzt*innen, wenn es im Notfall darum geht, im Sinne der Patientin oder des Patienten zu entscheiden. Svenja Diegelmann verweist auf Studien, die zeigen, „dass eine vorliegende Patientenverfügung eine enorme Erleichterung für die Angehörigen ist, da sie damit die Wünsche des Patienten kennen und diesen entsprechen können. Es nimmt sehr viel Last von den Angehörigen.“

Aktuell arbeitet das Projektteam an geeigneten Kommunikationsmaßnahmen, um Menschen für das Thema zu sensibilisieren und die Auseinandersetzung damit zu fördern. Diegelmann setzt auf das Konzept der Narrative, einen Ansatz, Informationen in Form von persönlichen Geschichten zu verpacken. Diese Kommunikationsform ist gerade bei Themenbereichen, die mit Angst und Barrieren verknüpft sind, hilfreich, weil authentische Geschichten das Thema greifbar machen und so zum Nachdenken anregen.

Zu diesem Zweck hat Svenja Diegelmann Interviews mit Menschen geführt, die sich schon mit einer Patientenverfügung auseinandergesetzt haben. Daraus werden in weiterer Folge Kurzgeschichten und eine Broschüre entstehen. Ob die Geschichten geeignet sind, um Menschen zu animieren, sich mit dem Thema Patientenverfügung zu beschäftigen, wird in weiteren Tests in den kommenden Monaten untersucht.

Zur Person


Svenja Diegelmann ist seit November 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung für Marketing und Internationales Management an der Universität Klagenfurt. Zurzeit forscht sie im Rahmen ihrer Dissertation zum Thema „Advance care planning as a facilitator of better endings: Applying a health communication approach to investigate behavior change and message effects“.



Portraitfoto Svenja Diegelmann

für ad astra: Katharina Tischler-Banfield