Elena Smirnova: „Die Welt aus neuen Blickwinkeln sehen.“

Unsere Absolventin Elena Smirnova hat das Masterstudium Geographie und Regionalforschung studiert. Seit zwei Jahren ist sie als Regionalmanagerin bei Hilfswerk International tätig und hat in den letzten Monaten diverse Projekte im Südkaukasus, am Westbalkan und in Osteuropa betreut. Im Interview spricht sie darüber, was ihren Traumberuf ausmacht und wie sie sich nebenbei für Frauen mit Migrationserfahrung einsetzt.

Was hat Sie damals an die Universität Klagenfurt gezogen?
An der AAU habe ich meinen zweiten Universitätsabschluss bekommen. Meinen ersten Abschluss machte ich im Bereich „Umweltschutz und nachhaltige Ressourcennutzung“ an der Technischen Universität des Uralgebietes in Russland. Nach dem Umzug wollte ich mich unbedingt weiterbilden. Es war für mich unglaublich spannend, diese zwei Bildungssysteme zu vergleichen. Ich wollte auch meine Deutschkenntnisse außerhalb des täglichen Bedarfs vertiefen und nicht zuletzt meine Berufschancen verbessern. So kam die Entscheidung, mich an der AAU zu inskribieren. Für Geographie habe ich mich aber sehr spontan entschieden, ich habe es dennoch nie bereut! Das war ein sehr spannender und abwechslungsreicher Lehrgang mit einem sehr persönlichen Zugang zu den Studierenden.

Was war für Sie ein unvergessliches Erlebnis Ihrer Studienzeit?
Da tue ich mir sehr schwer nur eines auszuwählen. Eigentlich sind da sehr viele Erlebnisse – das ganze Studium ist bei mir mit sehr vielen positiven Erinnerungen verbunden. Das Masterstudium Geographie ist sehr abwechslungsreich aufgebaut, von der Systemtheorie von Niklas Luhmann bis zur Modellierung komplexer geographischer Systeme, ist alles dabei. Folglich hat mir das Studium geholfen natur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die komplexen gesellschaftlichen Themen zu projizieren und mir dadurch ganz neue Blickwinkel gezeigt, aus denen man diese Welt sehen kann.
Als spannendste und herausforderndste Aufgabe fand ich die Gestaltung des Online-Lernmoduls für Nichtlinearität in geographischen Zusammenhängen, weil wir alles von den technischen Lösungen bis zum inhaltlichen Aufbau selber gemacht haben. Dieses Lernmodul kann man jetzt auf der Homepage des Instituts finden. Und jeder kann so sein Wissen in diesem Bereich vertiefen.

Wenn ich noch einmal studieren würde, würde ich… viel mehr Lernveranstaltungen aus dem Bereich Gender Studies und feministische Wissenschaften besuchen.

Gab es Momente oder Personen in Ihrem Studium, die Sie besonders geprägt haben?
Ja, das waren die Lernveranstaltungen von Frau Prof. Heike Egner und von Frau Prof. Kirsten von Elverfeldt. Für mich waren sie eine große Bereicherung. Ich habe dabei gelernt, meine eigene Komfortzone zu verlassen, mich meiner eigenen Denkmuster bewusst zu werden und – noch wichtiger – diese auch kritisch zu hinterfragen.

Wie hat sich Ihr Weg vom Studium bis heute entwickelt?
Ich habe in den letzten Jahren (und auch während meiner Studienzeit an der AAU) für diverse Consultingfirmen gearbeitet und habe dabei Erfahrungen im Bereich „internationale Projekte“ gesammelt. Nach meinem Abschluss im Sommer 2018 bin ich mit meiner Familie nach Wien gezogen und ein paar Monate später habe ich angefangen beim Hilfswerk International zu arbeiten. Zuerst als Projektassistentin und später als Regionalmanagerin. In den letzten Monaten habe ich diverse Projekte im Südkaukasus, am Westbalkan und in Osteuropa betreut.

Wie hat es Sie von Klagenfurt nach Wien verschlagen? Was war der ausschlaggebende Grund?
Eigentlich waren es mehrere Gründe. Das Ausschlaggebende war jedoch, dass Wien einfach bessere Karrieremöglichkeiten bietet. Ich bin auch ein ziemlicher Großstadtmensch und nach sieben Jahren in Kärnten war einfach ein Tapetenwechsel notwendig.

Sie sind als Regionalmanagerin für den Südkaukasus und die Republik Moldau bei Hilfswerk International tätig. Was genau sind Ihre Aufgaben?
Hilfswerk International ist eine österreichische NGO, die im Bereich internationale Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe seit vielen Jahren weltweit tätig ist.
Wir bieten nachhaltige Hilfe, die im Einklang mit internationalen Entwicklungszielen zur Förderung der sozialen, wirtschaftlichen, demokratischen und ökologischen Entwicklung steht. Unsere Projekte sind sehr vielfältig und reichen vom Kampf gegen Hunger durch landwirtschaftliche Entwicklung bis hin zu Unterstützung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen, orientieren sich jedoch immer an universellen Menschenrechten, Empowerment und Capacity Building. Grundsätzlich arbeiten wir in vielen verschiedenen Bereichen – man kann aber drei Schwerpunktthemen für unsere Programme und Projekte identifizieren: Umwelt- und Klimaschutz, Gender Equality und Inklusion der besonders schutzbedürftigen Personengruppen.
Als Regionalmanagerin bin ich für die Implementierung unserer Projekte in den Regionen Südkaukasus und Republik Moldau verantwortlich. Darüber hinaus pflege ich unsere Kommunikation mit den Fördergebern sowie mit lokalen und internationalen Partnern und Stakeholdern, schreibe neue Projektanträge und bin ebenso für die Umsetzung unserer regionalen Strategien verantwortlich.
In Georgien implementieren wir im Moment ein von der EU gefördertes Projekt mit dem Namen „Schritt für Schritt in eine bessere Zukunft“ – ein Projekt mit dem Ziel (ehemaligen) Häftlingen und Personen auf Bewährung in Georgien Schritt für Schritt bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu helfen. Im Mittelpunkt steht dabei die Verbesserung ihrer beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten in den Regionen Shida Kartli, Imereti und Samegrelo, indem eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, staatlichen Bewährungssystemen und NGOs gefördert wird.
In Moldawien betreue ich ein von der Austrian Development Agency (ADA – Der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit) gefördertes Projekt namens „Empower Youth – Aktive Jungwähler*innen für eine starke Zivilgesellschaft in Moldawien“. Dieses Projekt ist entwickelt worden, um einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie in der Republik Moldau durch aktives bürgerschaftliches Engagement von jungen Menschen und Erstwähler*innen zu leisten. Dafür organisieren wir Sensibilisierungskampagnen und Simulationswahlprogramme für junge Menschen und motivieren sie bei der Wahlbeobachtung teilzunehmen.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf am meisten?
Mein Job ist, auch wenn es fast wie ein Klischee klingen mag, eigentlich beinahe ein Traumberuf für mich. Hier habe ich alles gefunden, wonach ich so lange gesucht habe. Es sind die neuen Kulturen und Erfahrungen die mich begeistern. Es ist auch sehr abwechslungsreich, so muss man gleich gut mit Menschen und mit Zahlen arbeiten können. Wir arbeiten in einem interkulturellen Kontext und befassen uns mit sehr komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen – ich lerne jeden Tag was Neues dazu! Jede Reise in die Projektländer ist ein unvergessliches Erlebnis. Wenn ich die Menschen treffe, mit denen wir in unseren Projekten arbeiten und sehe, dass sich ihr Leben dadurch positiv verändert hat, Dann weiß ich, dass ich am richtigen Platz bin.

Sie haben sich 2019 auch selbstständig gemacht und den Verein „Subject Woman“ zur Förderung der gesellschaftlichen und politischen Beteiligung der Frauen gegründet. Was war Ihre Motivation?
Seit vielen Jahren engagiere ich mich als freiberufliche Radiomacherin und produziere Sendungen für freie Radiostationen – Radio AGORA 105.5 in Kärnten und Radio Orange 94,0 in Wien. Meine Radiosendung „Russische Stunde – Русский час“ gibt es schon seit 5 Jahren. Vor zwei Jahren habe ich mich dafür entschieden eine Sendung, die von Frauen mit Migrationserfahrung produziert wird, ins Leben zu rufen.
Die heutige mediale Berichterstattung ist sehr einseitig ausgerichtet und Frauen mit Migrationserfahrung bleiben in der österreichischen Medienlandschaft sehr stark unterrepräsentiert. Sie gehören heute zu einer der marginalisiertesten Gesellschaftsgruppe und werden im medialen Mainstream-Diskurs als passive und entmündigte Objekte dargestellt. Es wird pauschal „über sie“ berichtet, während diese Frauen selber viel weniger an der aktiven Gestaltung des medialen Diskurses teilhaben. Ihre Perspektiven aktueller gesellschaftlicher und politischer Themen bleiben dabei ungehört. Ich wollte dem unbedingt etwas entgegensetzen und zeigen, dass Themen wie Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, Bildung und Beruf, Beziehungen, Sexualität uvm., für alle Frauen, unabhängig ihres Alters, ihrer Herkunft und ihrer Sprache, sowie kultureller Zugehörigkeit oder religiöser Selbstidentifikation, gleich relevant sind. Ich habe fest daran geglaubt, dass Frauen mit Migrationserfahrung nicht nur Objekte der Berichterstattung sein sollten, sondern Mediengestaltung auch proaktiv in die Hände nehmen können. Ich habe mich mit einigen Frauen zusammengeschlossen und das war die Geburtsstunde der Radiosendung „Subject Woman. Frauenperspektiven aus aller Welt“. Derzeit wird diese Radiosendung regelmäßig auf drei freien Radiostationen in Kärnten, Wien und Niederösterreich ausgestrahlt. Die Gründung eines Vereins, war ein nächster logischer Schritt.
Mit dem Verein wollten wir eine Plattform schaffen, die den Frauen jeder Couleur eine Chance gibt, sich als freie Journalistin an der gemeinsamen Medienproduktion zu beteiligen. Bei uns kann jede Frau erste Einblicke in die österreichische Medienlandschaft bekommen und lernen selbständig Medienbeiträge zu produzieren. Unser Ziel ist es nicht nur die Medienkompetenz der Frauen zu fördern, sondern auch den Horizont, unsere Selbstwirksamkeit und unsere Denk- und Handlungsspielräume durch die Mediengestaltung zu erweitern.

Was verbindet Sie heute noch mit der Universität?
Sehr gute Erinnerungen…

Was würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?
Die Studienzeit vergeht viel zu schnell – genießt es! Versucht so viel wie möglich aus dieser Zeit mitzunehmen – Wissen, Erfahrungen, Freunde. Traut euch aber auch, euer Wissen ab und zu in Frage zu stellen und seid offen für alles Neues.

Auf ein paar Worte mit Elena Smirnova

Denke ich an Klagenfurt, denke ich sofort an… den Wörthersee, das Kreuzbergl, den Lendkanal, den Lendspitz Maiernigg und Morle Eis.

Mein Lieblingsort an der Universität war… die Bibliothek und das Cafe como.

Das mache ich morgens zuerst im Büro… Ich trinke einen Kaffee und checke meine Emails.

Ihr Studium in 3 Worten: anspruchsvoll, bereichernd und unvergesslich