Diversity und Umweltschutz: Welche Rolle spielt CSR für Nachwuchskräfte bei der Jobwahl?

Den jungen, aufstrebenden Talenten den 1980er und 1990er Jahre sagt man nach, sie hätten sich immer für diejenigen Jobs entschieden, die den imposantesten Gehaltszettel und die steilste Aufstiegskurve zu bieten hätten. Doch was ist den heute jungen High Potentials wichtig, wenn sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden? Und ist die Generation, die für „Fridays for Future“ und „Black Lives Matter“ auf die Straße geht, dabei auch sensibler, was die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen betrifft? Gerrit Boehncke sucht in seiner Dissertation nach Antworten auf Fragen wie diese.

Wir treffen Gerrit Boehncke online zum Interview. Er lebt und arbeitet (vorwiegend im Homeoffice) in Bochum. In seiner Dissertation fragt er danach, welche Rolle die Kommunikation von Corporate Social Responsibility als Entscheidungsfaktor für High Potentials auf Jobsuche spielt. Gerrit Boehncke ist dafür im Doktoratsprogramm „Health and Sustainability Communication and Management (HSCM)” in Klagenfurt eingeschrieben. Er selbst hat nach Abschluss seines Germanistik-Studiums mehrere Assessment Center in Konzernen durchlaufen und dabei gesehen, dass Unternehmen viel Aufwand in den Auswahl- und Evaluierungsprozess stecken, wenn sie hoffnungsfrohe Nachwuchskräfte suchen. Dabei sei es besonders aufwändig, die kulturelle Passung der Bewerber*innen in Bezug auf die eigenen Unternehmenswerte zu überprüfen. Ähnliches hat Gerrit Boehncke, der dann bei der großen Contentmarketingagentur Territory eingestiegen ist, in deren Abteilung für Employer Branding und Talentkommunikation erlebt.

2019 nahm er dann das Doktoratsstudium in Klagenfurt auf – und ist mittlerweile schon weit gekommen: Neben einer umfassenden Literaturstudie und der Analyse von einzelnen Fallbeispielen hat Gerrit Boehncke mittlerweile auch bereits 30 Interviews mit jungen Nachwuchsführungskräften sowie mit Personalverantwortlichen geführt. Im Fokus stehen bei ihm Medien- und Logistikunternehmen. Seine Interviewpartner*innen kommen aus Deutschland und Österreich, aber auch aus Skandinavien und den USA. Sie wurden von ihm hauptsächlich bei großen Konzernen gefunden, die entsprechende Personalentwicklungspläne haben und den jungen Talenten einen Karrierepfad innerhalb des Unternehmens anbieten können.

Doch was werten nun High Potentials an möglichen Arbeitgebern als besonders attraktiv? Gerrit Boehncke gibt uns erste Einblicke in seine Ergebnisse: „In meinen Interviews werden Unterschiede zwischen den Branchen, aber auch zwischen den Geschlechtern sichtbar. Generell lässt sich sagen, dass nicht mehr ganz klassisch entschieden wird wie noch vor 20 oder 30 Jahren. Heute spielen Unternehmenskultur, Lernkultur, teamübergreifender Austausch, Fortbildungsmöglichkeiten und Internationalität für viele eine große Rolle. Hinzu kommt auch das gesellschaftliche Engagement.“ Überrascht hat ihn dabei insbesondere, dass Themen wie Bildungsgerechtigkeit und Diversity für die Top-Bewerber*innen einen so hohen Stellenwert einnehmen.

Gerrit Boehnckes eigener Weg mutet ähnlich steil wie jener seiner Interviewpartner*innen an.  Mittlerweile arbeitet er als Strategischer Planer bei dem Bertelsmann-Tochterunternehmen Territory. Sein Doktoratsstudium betreibt er neben seinem Beruf. Wir fragen nach, warum er dafür – zumindest virtuell – nach Klagenfurt gekommen ist und erfahren: „Ich habe mich nach einem Programm umgesehen, dass interdisziplinär aufgestellt ist und mir auch eine berufsbegleitende Promotionsmöglichkeit bietet. Außerdem war mir eine sehr gute wissenschaftliche Betreuung wichtig. Diese habe ich durch Matthias Karmasin und Sandra Diehl in Klagenfurt gefunden.“ Gerrit Boehncke wirkt eloquent, souverän und selbstsicher wie jemand, der in Auswahlprozessen unter Hunderten zu den Herausragenden gehört. Doch warum investiert jemand wie er Zeit in ein Doktorat? „Mich fasziniert beides. In der Wirtschaft geht es um Output. Viele Analysen sind akut nötig, sie müssen schnell erfolgen und blicken häufig auf kurzfristige Perspektiven. Die Wissenschaft hingegen gibt mehr Raum für Tiefe und hat andere Zeitspannen. Auch diese Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Außerdem lehre ich mit viel Freude. Die Option, auch weiterhin unterrichten zu können, möchte ich mir offenhalten. Eine akademische Karriere lässt sich allerdings schwer planen“, so Gerrit Boehncke.

 

Auf ein paar Worte mit … Gerrit Boehncke



Was motiviert Sie, wissenschaftlich zu arbeiten?

Ich glaube es ist mir ein Stück anerzogen worden. Kennen Sie diese Kinder, die immer fragen „Warum ist XY so?“? Anstatt hier irgendwann die kurze und einfache Antwort zu geben, haben erst meine Eltern – später dann ein Lehrer –immer weiter Antworten gegeben. Zusammenhänge und Mechanismen zu verstehen, hat dann irgendwann einfach Spaß gemacht. Und deswegen frage ich heute auch immer noch: „(Warum) Ist das so?“.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?

Schlimmer! Da sie auch in der Wissenschaft sind, beantworten Sie meine Forschungsfrage alle aus ihren Disziplinen. Für den Mediziner ist die Frage nicht lebensbedrohlich, für den Philosoph kann sie auf der Meta-Ebene verhandelt werden und die Empirikerin hat zehn alternative – natürlich bessere – Erhebungsmethoden.

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?

In einem Jahr Home-Office fällt die Trennung schwer, aber offiziell beginnt der Arbeitstag in der Agentur mit einem digitalen Status-Meeting und dem Bericht bzw. Update der bisherigen und anstehenden Tagesprojekte –  dazu gibt es den obligatorischen zweiten Kaffee.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?

Ich versuche es. Aktuell heißt „Urlaub“ eine Abwesenheitsnotiz in Outlook für die Agentur zu haben und den Fokus auf die Dissertation zu legen. Aber meine Freundin hat seit Kurzem ein klares Laptopverbot für Urlaube durchgesetzt 😉

Was bringt Sie in Rage?

Institutionelle Schleifen und Warten gehören nicht zu meinen Stärken.

Und was beruhigt Sie?

Podcasts und Sport – oder beides gemeinsam! Die ideale Mischung ist ein ganz bestimmter Sportpodcast auf den Ohren, während ich selbst gerade Lauf- oder Radtraining habe.

Wer ist für Sie der*die größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?

Für „die Geschichte“ fällt mir das schwer zu beantworten, da viele große Wissenschaftler*innen der Geschichte heute ein wirklich verstaubtes Marketing haben. Ich schaue lieber auf die nächsten Jahre und mache hier mal etwas Druck auf die naturwissenschaftlichen Wissenschaftler*innen. Wer „DIE LÖSUNG“ für erneuerbare Energien oder im Kampf gegen Krebs entwickelt, der oder die wäre für mich vermutlich Wissenschaftler*in meiner Zeit.

Wovor fürchten Sie sich?

Im beruflichen Kontext seit dem Dissertationsprojekt zum ersten Mal davor die falsche Arbeitgeberentscheidung zu treffen, Lernen in der Qualifikationsphase zu verpassen, Stagnation und Frustration. Im Privaten besonders vor Immobilität im körperlichen und lokalen Sinn. Für meinen Sport ist mir meine Gesundheit sehr wichtig – um meine Familie (auch im Ausland) zu besuchen und zukünftig eine Work-Life-Balance wirklich ausleben zu können, bedeutet mir lokale Mobilität viel!

Worauf freuen Sie sich?
Ich hoffe, dass ich dieses Jahr meinen ersten Ironman absolvieren kann, der wegen Covid zweifach verlegt wurde. Dabei freue ich mich dann ganz besonders auf die Ziellinie!

HEALTH AND SUSTAINABILITY COMMUNICATION AND MANAGEMENT (HSCM)



Das Doktoratsprogramm „Health and Sustainability Communication and Management (HSCM)“ ist interdisziplinär ausgerichtet und vermittelt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern fundierte Fähigkeiten über Kommunikation und Management im Gesundheitsbereich, für den Bereich Sustainability sowie für die Übernahme sozialer Verantwortung. Ein weiterer Fokus liegt auf der effizienten und effektiven Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen im Gesundheitsbereich an die breite Öffentlichkeit. Weitere Informationen