Der steinige Weg zur Klimaneutralität

Neue Technologien und Infrastrukturen, ein tiefgreifender Gesellschaftswandel oder Climate Engineering? ad astra hat bei Daniel Barben vom Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung nachgefragt, wie wir den Sprung zu einer nachhaltigen Gesellschaft schaffen.

Technologische Innovationen – sei es in der Energieversorgung, im Automobilbau oder in der Landwirtschaft – werden oft als Allheilmittel für Probleme unserer Zeit vorgestellt. Solche vereinfachenden Versprechen lassen außer Acht, dass auch institutionelle Innovationen und gesellschaftliche Lernprozesse notwendig sind. Daniel Barben, von 2012 bis 2019 Mitglied des Bioökonomierats der deutschen Bundesregierung, erläutert anhand der Bioökonomie deren möglichen Beitrag zu nachhaltiger Transformation. „Eine übergeordnete Zielsetzung besteht in einer Kreislaufwirtschaft, wo Ressourcen mehrmals genutzt und Abfälle oder Endprodukte nicht in der Umwelt entsorgt, sondern wieder als Ressourcen für die Produktion verwendet werden.“

Charakteristisch für die Bioökonomie ist es, von biologischem Wissen und Prinzipien der Natur zu lernen und mit neuen Wertschöpfungsketten den Übergang in eine postfossile Wirtschaft und Gesellschaft anzustreben. „Daraus entspringen“, so Barben, „nicht nur interessante, neue Produkte, wie zum Beispiel Autoreifen aus Löwenzahn statt aus Kautschuk oder synthetische Spinnenseide, sondern auch sektorübergreifende Nutzungskaskaden“.

Bioökonomie ist allerdings nicht per se nachhaltig, wie man bei den Biokraftstoffen gesehen hat, die in den 2000er Jahren durch USA und EU massiv gefördert wurden. „Man hätte ahnen können, welche Auswirkungen dies auf die Preise und Verfügbarkeit bestimmter Lebensmittel haben würde. Das Ergebnis war ein unnötiger Zielkonflikt. ‚Food first‛, Ernährungssicherheit, ist heute internationaler Konsens. Agrarflächen werden vorrangig für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln und nicht für energetische Zwecke genutzt“, erklärt Barben.

Damit neue Technologien oder Innovationsansätze auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen, sollte möglichst frühzeitig eine Abschätzung ihrer Potenziale und Folgen durchgeführt werden, unter Berücksichtigung eines breiten Spektrums wissenschaftlicher Disziplinen und gesellschaftlicher Interessensgruppen. Barben erachtet diesen Schritt als grundlegend, damit bessere Entscheidungen gefällt werden können. Begleitendes Monitoring soll getroffene Einschätzungen immer wieder überprüfen, um gegebenenfalls nachzujustieren. Barben betont, dass Potenziale und Folgen nie eindeutig abgeschätzt werden können, da wir es immer mit divergenten und dynamischen Entwicklungen zu tun haben: wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, ökologischen, politischen, rechtlichen oder auch militärischen. „Die Zukunft ist nur sehr eingeschränkt prognostizierbar, falls überhaupt. Die Wissenschaft kann Szenarien und Optionen aufzeigen und nach bestimmten Kriterien bewerten.“

Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 haben Ansätze des Climate Engineering (CE) größere Aufmerksamkeit gewonnen. Die globale Klimapolitik ist aus Sicht vieler gescheitert, weshalb CE enttabuisiert und neue Optionen im Kampf gegen den Klimawandel zugelassen werden sollen. Daniel Barben teilt die Skepsis, ob mit Mitigation, der Reduktion der Emission von Treibhausgasen, die internationalen Klimaziele noch erreicht werden können. „Wenn wir weiter zuwarten, müssen immer radikalere Maßnahmen gesetzt werden. Wir haben noch gut ein Jahrzehnt Zeit, aber es muss jetzt schnell und viel passieren.“ Allerdings bieten auch CE-Maßnahmen keine schnelle und einfache Lösung. Carbon Dioxide Removal, wo CO2 der Atmosphäre wieder entnommen wird, etwa durch BECCS (Bio-Energy with Carbon Capture and Storage), verspricht einen Beitrag zu leisten, ist aber auch mit Risiken verbunden. Methoden des Solar Radiation Management werden derzeit als zu spekulativ und riskant weitgehend ausgeschlossen. Dazu zählt etwa das Ausbringen von Schwefelpartikeln in der oberen Atmosphäre, um die Sonnenstrahlung auf der Erde zu reduzieren. „Gewiss ist, dass CE keinen ‚technological fix‘ bieten kann – und dass sich der Klimawandel, selbst bei Einhaltung der Pariser Klimaziele, weiter vollziehen wird“, so Barben.

Ganz gleich, auf welche Maßnahmen staatliche und nichtstaatliche Akteure setzen, Daniel Barben hält gesamtgesellschaftliche Projekte der Transformation für unabdingbar. „Was dabei aber nicht passieren darf, ist, dass soziale Ungleichheiten noch verstärkt werden. Fragen sozialer Gerechtigkeit bezüglich Ernährung, Wohnen, Beschäftigung und Lebenschancen müssen mit den ökologischen und ökonomischen Aspekten der Transformation abgestimmt sein. Als elitäres Projekt von Privilegierten wird Klimaschutz nicht gelingen.“

für ad astra: Katharina Tischler-Banfield