Thomas Gottschalk und Mike Krüger im Film „Die Supernasen“ (1983), der an dem fiktiven Schauplatz „Bad Spänzer“ spielt. Der Film wurde hauptsächlich in Velden am Wörthersee gedreht.

Der Mythos „Wörthersee-Film“

Die goldenen Zeiten des Wörthersees sind noch vielen in Erinnerung. So manche Stars zog es an den See, und viele Prominente gingen die Promenade entlang. Wer kennt ihn nicht: den Wörthersee als atemberaubende Filmkulisse. In der jüngeren Generation werden die Wörthersee-Filme nun wiederentdeckt und wegen ihrer speziellen Komik gefeiert. Film- und Literaturwissenschaftler Arno Rußegger untersuchte die „Wörthersee-Ära“ im Kino und begleitete eine wissenschaftliche Retrospektive des Filmarchiv Austria.

Der österreichische Filmproduzent Karl Spiehs wählte Anfang der 1970er-Jahre den Wörthersee als Naturkulisse und Schauplatz für mehr als 30 Filmproduktionen, und eine kommerziell sehr erfolgreiche Ära der so genannten „Wörthersee- Filme“ begann. „Diese Filme waren Teil meiner Jugend und allgegenwärtig“, erinnert sich Filmwissenschaftler Arno Rußegger (Institut für Germanistik). Dies war auch Anlass für ihn, im späteren Beruf die charakteristischen Besonderheiten und Gemeinsamkeiten dieser Filme wissenschaftlich herauszuarbeiten.

Arno Rußegger betont, dass die Wörthersee- Filme wesentlich von der Persönlichkeit Karl Spiehs und seiner Art, Filme herzustellen, geprägt wurden. Er würde sie auch deshalb nicht als Genre im eigentlichen Sinn definieren, sondern sieht das Gemeinsame der Filme eher im Produktionskontext, für den Spiehs verantwortlich zeichnete. „Er hatte ein Gespür dafür, publikumstaugliche Filme zu produzieren und Schauspielerinnen und Schauspieler zu entdecken und zu fördern“, sagt Rußegger. Stars wie Roy Black, Mike Krüger, Peter Alexander, Georg Thomalla, Thomas Gottschalk, Rudi Carrell, Uschi Glas und Theo Lingen, um nur einige zu nennen, zählten zu „seinem treuen Mitarbeiterstab, und für viele war er ein väterlicher Freund“. Spiehs hat es immer wieder verstanden, seine MitarbeiterInnen dazu zu animieren, etwas Neues auszuprobieren. „Seine Stärke war es, das Potenzial jedes Einzelnen zu erkennen und zu fördern.“ Schauspieler Peter Weck zum Beispiel führte anlässlich von „Hilfe, ich liebe Zwillinge“ erstmals Regie, und Uschi Glas übte sich im Laufe ihrer Karriere auch als Drehbuchautorin. Otto Retzer sei aber das Paradebeispiel schlechthin: Er avancierte vom „Laufburschen“ zum Regieassistent, Aufnahmeleiter und sogar Regisseur.

Remake-Methodik

Ein Charakteristikum der Wörthersee-Filme war es, dass vorhandene Inhalte, Figurkonstellationen und Handlungsstrukturen aus bereits zuvor erfolgreichen Filmen übernommen wurden. Die Anpassungsfähigkeit der Wörthersee-Filme sei für Rußegger bezeichnend: „Alles was im Bewusstsein der Menschen verankert war, hat man reproduziert und wiederholt.“ So wurden zum Beispiel die Don Camillo- Filme mit Fernandel in das Format der „Hochwürden“-Filme kopiert, Bud Spencer und Terence Hill sind in den „Supernasen“ wiedererkennbar, die Louis de Funès-Filme sind in „Der Gendarm vom Wörthersee“ zu finden, und auch populäre Krimis wurden übernommen – von Miss Marple bis Columbo.

„Der Wörthersee-Film ist kein eigenes Genre, sondern es wurden viele bereits erfolgreiche Filmformate adaptiert und übernommen.“

Ein weiteres Merkmal der Wörthersee- Filme bestand darin, dass in jedem Film mehrere Genres zu sehen sind, die wiederum miteinander verknüpft worden sind – von Komödie, Krimi über Drama bis Slapstick. Man bediente sich inhaltlicher Standardsituationen wie Verwechslungen, Missverständnissen, Verfolgungen, Verkleidungen. „Die Filme transportieren einen beachtlichen Spaß-Faktor, eine besondere Unbekümmertheit und Ausgelassenheit“, sagt Rußegger, „der Alltag wird überzeichnet dargestellt, und dadurch ist der Übergang zur Satire fließend.“ Diese Unterhaltungsfilme haben nach Rußegger nichts mit der damaligen Realität am Wörthersee zu tun, „die zu dieser Zeit in Kärnten vorherrschenden politischen Konflikte wurden gänzlich ausgeblendet“ und man tauchte lieber „in eine Welt der Illusionen ein“, der Wörthersee diente als reine Kulisse. Ein weiteres Spezifikum dieser Filme war die Einbindung der zur damaligen Zeit populären Schlager- und Unterhaltungsmusik von Wencke Myhre bis Chris Roberts. „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ ist ein solcher Hit von Wencke Myhre aus „Unsere Pauker gehen in die Luft“. „Roy Black war eigentlich Schlagersänger und durfte natürlich oft singen, erst Spiehs machte ihn zum Schauspieler“, sagt Rußegger.

Veränderte Topografie

Filmsets wurde oftmals nicht nach realistischen Kriterien ausgesucht, sondern orientierten sich nach den finanziellen Produktionsbedingungen. Beim Wörthersee – Film kommt es daher immer wieder vor, dass Klagenfurt, Velden, Pörtschach und Maria Wörth als ein Ortsgebiet zusammengefasst werden. „Namen wurden erfunden, und der Wörthersee heißt dann etwa Waldsee und Ortschaften nennen sich ‚Bad Spänzer‘ oder ‚Seekirchen‘“, sagt Rußegger.

Aber nicht nur bei der Topografie habe der Wörthersee-Film seine Eigenheiten. „Bezahlt wurde in einem Möbelhaus in Klagenfurt mit der D-Mark anstatt mit Schilling, einige Autos fahren mit deutschen Kennzeichen herum, manche aber mit österreichischen Nummernschildern.“ Aber diese Regiefehler seien für das Publikum nicht ausschlaggebend gewesen. „Die Filme sind sehr schnell und kostengünstig gedreht worden.“ Was aber an Topografie bis heute zu sehen ist, habe für Rußegger schon fast einen nostalgischen Charakter. Aus aktueller Sicht sei ein Revival des Wörthersee-Films für ihn kaum mehr vorstellbar. Rußegger dazu: „Heute ist alles zugebaut, die Schönheit des Sees musste den Häuserburgen weichen. Diese Idylle, die in den 70er-Jahren abgebildet wurde, gibt es gar nicht mehr.“ Auf die Frage, ob die Wörthersee-Filme die österreichische Filmgeschichte geprägt haben, antwortet Rußegger: „Tatsächlich sind es deutsche Filme, mit einer Produktionsfirma in München. Es steckt aber mehr als eine Spur Österreich in den Filmen. Solche Randphänomene dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Sie sind oft wichtiger und interessanter als das, was sich im Zentrum abspielt.“

für ad astra: Lydia Krömer

Karl Spiehs und der Wörthersee-Film

Im Herbst letzten Jahres wurde anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums von Karl Spiehs und seiner Lisa Film vom Filmarchiv Austria eine Retrospektive „Wörthersee & Exploitation“ veranstaltet. Filmproduzent Karl Spiehs drehte rund 30 Wörthersee-Filme – der Wörthersee wurde zu seiner Lieblingskulisse. Volksschauspieler Paul Löwinger gründete die „Lisa Film GmbH“, die er nach seiner damaligen Ehefrau Elisabeth benannte, und Anfang der 1970er-Jahre wurde das Unternehmen von Karl Spiehs übernommen. Die Mischung aus schöner Landschaft, sympathischen Schauspielern und Schauspielerinnen, unterhaltsamen Geschichten und Schlagerliedern machte die „Wörthersee-Filme“ zum Kult. Eine Auswahl bekannter Kino-Filme: Wenn die tollen Tanten kommen / Hilfe, ich liebe Zwillinge / Unsere Pauker gehen in die Luft oder Rudi, benimm dich. Später kam die bekannte TV-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ hinzu. Bereits in den 1940er-Jahren wurde der Wörthersee immer wieder zur Kulisse von romantischen und sentimentalen Komödien. Vorläufer der Lisa-Film-Produktionen am Wörthersee waren unter anderem: „Der Herr Kanzleirat“ (1948) mit Hans Moser oder „Die Rose vom Wörthersee“ (1952).

Zur Person

Arno Rußegger ist Professor für Sprach- und Literaturwissenschaft am Institut für Germanistik. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u. a. Filmwissenschaft, Kinder- und Jugendliteratur und Österreichische Literatur seit 1900.

BUCHTIPP!

Rußegger, A.: Die Rose vom Wörthersee ist die Rose vom Wörthersee ist die Rose vom Wörthersee …. Zum Wörthersee-Film im Kino zwischen 1948 und 1990. In: Widegger, F. (Hrsg.) (2017). Wörthersee & Exploitation (Film Geschichte Österreich, Band 02). Wien: Verlag Filmarchiv Austria.

Russegger Arno