Wissenschaftskommunikation | Foto: jakkapan/Fotolia.com

Den Köder für den Fisch schmackhaft machen. Wie Forschung an die Öffentlichkeit kommt?

Wissenschaft ist ein Thema für Medien. Die sprichwörtliche „amerikanische Studie, wonach jedes vierte Islandpferd zu dick ist“, findet sich in vielen Medien wieder. Weniger breit werden komplexere Themen der Forschung abgebildet, häufig zum Leidwesen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das „4. Netzwerktreffen Hochschulforschung“ hat nun die ExpertInnen Tanja Traxler und Oliver Lehmann zu dem Thema eingeladen und mit ihnen darüber diskutiert, wie sich Wissenschaft (und insbesondere Hochschulforschung) über Medien an die Öffentlichkeit kommunizieren lassen.

Wie kommen Nachrichten über Wissenschaft in die Medien?

Traxler: Aussendungen sind eine wichtige Quelle. Sie kommen von allen Playern am Wissenschaftsmarkt. Aussendungen per Mail sind für uns als Redakteurinnen und Redakteure auch sehr viel hilfreicher als Einladungen zu Pressekonferenzen. Auf uns wirkt ein zunehmender ökonomischer Druck: Dieser bewirkt, dass niemand mehr im journalistischen Alltag Zeit hat, zu den klassischen Vormittagsterminen zu kommen. Neben den Aussendungen sind es persönliche Kontakte, über die wir oft Geschichten vermittelt bekommen. Hier spielt auch häufig die Exklusivität eine wichtige Rolle, die es uns leichter macht, ein Thema auch zu bringen.

Lehmann: Ich möchte auch noch auf die APA hinweisen, die für die Grundversorgung eine wichtige Rolle spielt. Dies betrifft sowohl den Basisdienst als auch APA-Science. Es zahlt sich also aus, Informationen so aufzubereiten, dass sie von der APA gut aufgenommen werden können. Wenn man sich die Realität der Medienlandschaft genauer ansieht, wird man feststellen, dass die meisten Bundesländermedien sich vor allem über die APA bedienen.

Gibt es alternative Wege dazu?

Lehmann: Ja, ich kann eine Erfahrung einbringen, die ich gemeinsam mit Helmut Veith, der als Informatiker an der TU Wien tätig war, gemacht habe. Er arbeitete in dem sehr abstrakten Gebiet der computer-unterstützten Verifikation, einem Feld, das herkömmlicherweise kaum einer breiten Öffentlichkeit vermittelbar ist. Wir haben dann gemeinsam einen Workshop organisiert, im Rahmen dessen die fünf führenden Wissenschaftler das Thema für Journalistinnen und Journalisten aufbereitet haben. Eine kleine Anzahl von TeilnehmerInnen hat so einen Zugang zu dem Forschungsthema gefunden und ist auch länger drangeblieben. Wir haben die Veranstaltung auch als Fortbildung definiert, was es den RedakteurInnen vielleicht auch erleichtert hat, daran teilzunehmen.

Welche Themen eignen sich besonders für die mediale Berichterstattung?

Traxler: Wir versuchen immer, uns bei der Themenauswahl in unsere Leserinnen und Leser hinein zu versetzen. Oft ist ein aktueller Aufhänger wichtig, da man Themen, die man theoretisch immer bringen kann, häufig verschiebt. Außerdem sind es häufig konkrete Beispiele, anhand derer man komplexere Forschungsinhalte erzählen kann.

An allen Universitäten gibt es mittlerweile Kommunikationsbüros, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermitteln. Welche Erfahrungen machen Sie damit?

Traxler: Seit ich im Journalismus bin, hat sich die Qualität der Medienstellen von Hochschulen extrem professionalisiert. In den meisten Fällen sind dies sehr gut aufbereitete Informationen, die von diesen Einrichtungen zu uns kommen. Es ist also selten, dass mich Forscherinnen und Forscher, mit denen ich davor noch nicht persönlich zu tun hatte, direkt ansprechen. Meist läuft der Erstkontakt über diese Pressebüros.

Lehmann: Eine ökonomisch effiziente Vermittlung von Expertinnen und Experten an Medien wird immer wichtiger. Ein Beispiel dafür ist das Science Media Center, das seit März diesen Jahres auch in Deutschland existiert, und das Expertinnen und Experten zu bestimmten aktuellen Themen zusammenstellt. Dieses Service steht dann den Medien zur Verfügung.

Wir sehen immer wieder, dass es bei uns sozial- und geisteswissenschaftliche Themen schwieriger haben, medial abgebildet zu werden, als dies bei den Naturwissenschaften oder technischen Wissenschaften der Fall ist. Warum ist das so?

Traxler: Ich nehme das so wahr, dass bei den Geistes- und Sozialwissenschaften die wissenschaftliche Arbeit oft mit deren Vokabular steht und fällt. Versuche ich nun als Redakteurin, die Inhalte auf ein einfacheres Niveau herunter zu brechen, gelingt das bei diesen Wissenschaftsfeldern weniger, da ich das Vokabular häufig nicht verändern darf. In den Naturwissenschaften ist das fundamental anders: Sprache hat hier eine andere Funktion. Verändere ich sie, gehen nicht die grundlegenden Fragestellungen verloren.

Im angloamerikanischen Raum gibt es generell einen anderen Zugang zu dieser Übersetzungsarbeit in Bezug auf wissenschaftliche Arbeiten. Warum?

Lehmann: Dort ist es für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler üblich, populär zu schreiben, ohne die eigene Forschung zu marginalisieren und sich gegenüber der eigenen Scientific Community dem Vorwurf auszusetzen, Inhalte zu vereinfachen. Wir haben eher die Tradition, dass das Oszillieren zwischen Wissenschaftsarbeit und Kommunikation mit einem kritischen Blick aus den eigenen Reihen beäugt wird.

Traxler: Bei uns zögert man auch häufig, mit Ideen an die Öffentlichkeit zu gehen, bevor sie von einem Rattenschwanz an Studien belegt werden. Auch dafür gibt es im angloamerikanischen Raum eine andere Tradition.

Welche Nebeneffekte kann ich Ihrer Wahrnehmung nach durch mediale Berichterstattung erreichen?

Lehmann: Es gibt eine Zielgruppe, deren Aufmerksamkeitsspanne noch geringer ist als die von JournalistInnen: die Politikerinnen und Politiker. Sie sind es aber, die öffentliche Gelder verwalten und der Forschung zuordnen oder eben nicht. Daher würde ich meinen, dass die Medienöffentlichkeit auch dafür sinnvoll ist, um Politikerinnen und Politiker, und andere Stakeholder im Wissenschaftsbereich, über die eigene Arbeit zu informieren. Denn auch sie richten sich häufig danach, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen gebracht wird.

Welchen Blickwinkel raten Sie jemanden, der von der mangelnden Rezeption von Presseaussendungen frustriert ist?

Lehmann: Grundsätzlich gilt: Alle, die solche Themen kommunizieren möchten, müssen sich fragen, wie weit Sie gehen wollen. Natürlich kann man jedes Thema zuspitzen – und damit auch die Chance erhöhen, medial abgebildet zu werden. Sie müssen sich aber fragen, bis wann dies vertretbar ist. Bei so manchem Thema sind die Möglichkeiten beschränkt. Um die Frustration aber einzuschränken, möchte ich auch betonen: Zusammenfassungen von Forschungsberichten sind auch sehr gute Hilfsmittel, um die eigene Organisation, jenseits der oft engen Fächergrenzen, zu informieren. Außerdem denke ich auch, dass es sich lohnt, an alternativen Formaten zu arbeiten. Eines davon wäre der Wiener Ball der Wissenschaften, für den wir uns im Vorfeld die Zahlen angesehen haben. In Wien sind insgesamt 220.000 Menschen als MitarbeiterInnen oder als Studierende Teile einer Universitätsöffentlichkeit. Das sind 12,5 Prozent der Bevölkerung der Stadt, die sich nicht in den bis dahin angebotenen Ballformaten repräsentiert gefühlt haben. Wir haben dann viel daran gearbeitet, wie uns diese Veranstaltung bei der Wissenschaftsvermittlung nützlich sein kann, und auch, wie weit wir hier gehen können.

Welche Rolle spielen Social Media?

Lehmann: Wir sehen – als Vorreiter sei hier auch der angloamerikanische Raum genannt –, wie es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelingen kann, Forschungserkenntnisse auf 140 Zeichen im Twitter-Kosmos herunter zu brechen. Sie tun dies natürlich mit Links, aber auch mit der Gefahr, Inhalte herunter zu brechen oder missverstanden zu werden und darauf folgende Diskussionen auszuhalten. Aber, die Reaktion in der Twittersphere ist oft verblüffend groß. Außerdem kann es gelingen, über diesen Weg auch Geschichten anzustoßen, die in den klassischen Medien aufgenommen werden. Heute gilt häufig: Das, was ge-retweeted wird, ist eine Geschichte. Die Community entscheidet darüber, in den USA heute schon stärker als die klassische Mittelbau-Medienwelt.

Tanja Traxler studierte Physik an der Universität Wien und arbeitet derzeit an ihrer Dissertation in Theoretischer Quantenphysik und Philosophie an der Universität Wien. Forschungsaufenthalte führten sie an die University of California/Santa Cruz und an die Twente University/Enschede in den Niederlanden. Sie ist seit 2001 freie Autorin für den STANDARD, seit 2009 leitet sie den viermal jährlich erscheinenden UniStandard, seit 2015 ist sie Redakteurin für die Wissenschaftsbeilage „Forschung Spezial“.

Foto: Matthias Cremer

Tanja Traxler | Foto: Matthias Cremer


Oliver Lehmann ist Journalist, Buchautor und Wissenschaftskommunikator. Er war unter anderem bei der Berliner tageszeitung, dem Wiener Falter, der Hamburger Reise- und Kulturzeitschrift Merian, dem Stern, News und BBC Worldservice tätig. Lehmann gründete 1998 das Universum Magazin und blieb bis 2013 dessen Co-Herausgeber. Seit 2007 ist Oliver Lehmann am Institute of Science and Technology (IST Austria) tätig, zuerst als Mediensprecher, seit 2015 als Leiter der Abteilung für Stakeholder Relations. Seit 2012 ist er Vorsitzender des Klubs der Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen. Er ist Mitbegründer des Wiener Balls der Wissenschaften und Vorsitzender dessen Ballkomitees. Sein Studium der Geschichte und der Sprachwissenschaften an der Open University (UK) schloss er 2015 ab.

Foto: Sabine Hauswirth / (c) OL

Das Interview basiert auf der Diskussion zum Thema „Hochschulforschung und Öffentlichkeit“, die im Rahmen des „4. Netzwerktreffens Hochschulforschung“ am 12. Oktober 2016 am Wiener Institut für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung mit Tanja Traxler und Oliver Lehmann geführt wurde.