Julia Kubelka | Foto: KK

Dazu gehören

Julia Katharina Kubelka fragt in ihrer Dissertation Menschen, wo sie dazu gehören und was Zugehörigkeit für sie bedeutet. Die Frage hält sie in Zeiten, in denen (politische, gesellschaftliche und persönliche) Zugehörigkeit mehr denn je im Zentrum öffentlicher Debatten steht, für besonders lohnend.

Julia Kubelka weiß, wo sie sich zugehörig fühlt: „Ich bin ganz stark in Kärnten und im Alpen-Adria-Raum verwurzelt. Und meine große Familie, in der man auch noch in Kontakt mit der Cousine dritten Grades steht, ist mir besonders wichtig“, erzählt sie, die sich aus einer Ärzte- und Künstler-Familie stammend aus reinem Bauchgefühl für das Geographie-Studium entschieden hat. Der Bauch sei auch bei der Frage nach Zugehörigkeit entscheidend: „Letztlich geht es um ein Gefühl: Hier fühle ich mich sozial eingebunden, hier fühle ich mich sicher, hier fühle ich mich gut.“

Zugehörigkeit nimmt sie in drei Dimensionen unter die Lupe: Da gibt es einerseits eine politisch-rechtsstaatliche Ebene, so ist man beispielsweise Österreicherin, Kroatin oder Neuseeländerin. Darüber, wo man gesellschaftlich zugehörig ist, entscheiden andere durch Inklusion oder Exklusion. Im Zentrum all dessen steht das Individuum, das für sich fragen muss: „Wo gehöre ich dazu?“ Julia Kubelka sieht zahlreiche Überschneidungen: „Diese drei Dimensionen durchkreuzen einen Menschen. Was der Einzelne empfindet ist individuell. Ich gehe aber in meiner Forschung davon aus, dass die Frage, wie sich die Ebenen gegenseitig bedingen, eher allgemeingültig beantwortet werden könnte.“

Um ihre Hypothesen auf Herz und Nieren zu prüfen, hat sie zuletzt Interviews mit Menschen geführt, die Minderheiten angehören. Darunter waren SlowenInnen in Kärnten, Deutschsprechende in Slowenien und RätoromanInnen in der Schweiz, die allesamt von unterschiedlichen Geschichten geprägt sind. Im Gespräch mit Kubelka fällt auf: Sie verwendet bewusst niemals den Begriff „Heimat“. Wir fragen nach. Und sie erklärt: „Der Begriff ist stark politisch konnotiert und ausgereizt. Deshalb versuche ich, ihn auszusparen.“ Ihr gehe es vielmehr darum, Zugehörigkeit ohne vorgefasste Kategorien zu erfassen, wobei der Mensch als „soziales Wesen“ gesehen wird. „Ein einsamer Wolf, der sagt, er brauche keine Zugehörigkeit zu einer größeren Gemeinschaft, ist mir bisher noch nicht untergekommen. Ich fände es allerdings sehr spannend, auch eine solche Perspektive in meine Forschung mitaufzunehmen.“

Julia Kubelkas Thema ist von hoher aktueller Relevanz. Sie hat sich damit zu beschäftigen begonnen, als die Flüchtlingsbewegung auf Europa zukam und den Kontinent vor neue Herausforderungen stellen sollte. Kubelka sieht zwei Pole, die beide mit der Frage nach der eigenen Identität und Einbettung ringen: „Einerseits kommen Menschen zu uns, die ein sicheres Zuhause – auch mit einer neuen Zugehörigkeit – suchen. Andererseits steht auch die Bevölkerung hier in einem großen gesellschaftlichen Transformationsprozess, der per se schon viele Unsicherheiten aufwirft. Auch hier fragen sich viele, wo sie dazu gehören. In diesem Spannungsfeld entstehen derzeit viele Konflikte.“ Integration sei für Kubelka erst dann erfolgreich, wenn man sich in seiner neuen Umgebung sicher und zuhause fühle. Und dies könne nur gelingen, wenn man gesellschaftlich auch als zugehörig wahrgenommen werde.

Derzeit arbeitet Julia Kubelka (privat) an ihrer Dissertation, betreut von Max-Peter Menzel, und (beruflich) an Forschungsprojekten am Institut für Geographie und Regionalforschung, in denen es um öffentlichen Personennahverkehr geht. Die offene Form der Projektarbeit gefällt ihr. Die Frage nach ihrem weiteren Weg lässt sie offen: „Ich bin nun seit sieben Jahren in solchen Projekten eingebunden. Sollte es diese Möglichkeit nicht mehr geben, kann ich mir auch vorstellen, in die Selbstständigkeit zu gehen. Mit wissenschaftlichen Methoden im Feld zu arbeiten, wäre mir weiterhin sehr wichtig.“ Sie hat in ihrer bisherigen Laufbahn die besten Erfahrungen damit gemacht, „ja“ zu sagen, wenn neue Herausforderungen auf sie zukommen. Sie hat vor, dies weiter beizubehalten.

 

Auf ein paar Worte mit … Julia Kubelka

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
Da sich der Weg in die Wissenschaft, durch meine wissenschaftliche Projektarbeit recht früh aufgetan hat, fällt es mir doch schwer, diese Frage zu beantworten. Ich wäre aber mit Sicherheit in einem beruflichen Umfeld tätig, das eine selbstständige offene Arbeitsweise fördert.

Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Morgens erledige ich als erstes die eher unkreativen Tätigkeiten, wie etwa E-Mails und Anrufe zu beantworten und den Tag zu planen.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an die Arbeit zu denken?
Ja, ich mache richtig Urlaub und beantworte in dieser Zeit auch keine E-Mails. Aber ich diskutiere auch in den Ferien über Themen meiner Dissertation oder anstehende Projekte. Das sehe ich allerdings nicht als Widerspruch oder Belastung. In meiner Dissertation habe ich die Möglichkeit, ein spannendes und gesellschaftlich relevantes Thema zu bearbeiten, dabei genieße ich es mich mit Freunden darüber austauschen zu können.

Was bringt Sie in Rage?
Zu sehen, dass Menschen Ungerechtigkeiten ausgeliefert sind, die sich selbst nicht zur Wehr setzen können.

Und was beruhigt Sie?
Mich beruhigt zu sehen, dass es Menschen gibt, die sich selbstlos für andere Menschen einsetzen. Solange es solche Menschen gibt, sehe ich positiv in die Zukunft.

Wofür schämen Sie sich?
Ich schäme mich für Menschen, die Vorurteile und Stereotype unhinterfragt wiederholen oder noch schlimmer diese bewusst einsetzen, um andere Menschen abzuwerten.

Wer ist für Sie der „größte“ Wissenschaftler bzw. die größte Wissenschaftlerin der Geschichte und warum?
Es gibt eine ganze Reihe von WissenschaftlerInnen, die ich außerordentlich schätze. Am deutlichsten beeinflusst und mein Interesse an Philosophie geweckt haben allerdings Jean-Paul Sartre, Michel Foucault und Judith Butler. Ihre spezifischen Perspektiven auf Gesellschaft haben die Moderne entscheidend geprägt und neben einer rein theoretischen Auseinandersetzung haben sie auch persönlich Partei bezogen. Dieses Engagement bewundere ich.

Worauf freuen Sie sich?
Ich freue mich schon sehr auf meinen kommenden Forschungsaufenthalt in der Schweiz und die Menschen, auf die ich treffen werde. Bisher konnte ich bei jedem Forschungsaufenthalt äußerst bereichernde Erfahrungen sowohl für meine Forschung als auch für mich persönlich sammeln.

Geographie studieren an der Universität Klagenfurt