Commencement Speech: Den ausgetretenen Pfad verlassen und neue Wege gehen

Der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, Josef Aschbacher, hielt bei den Akademischen Feiern an der Universität Klagenfurt am 17. Juni 2022 die Festrede. Mit den sogenannten Commencement Speeches folgt die Universität Klagenfurt einer US-amerikanischen Tradition: Herausragende Persönlichkeiten sind eingeladen, den Absolvent*innen ihren Werdegang und ihre Perspektiven auf die Welt zu schildern. Dieses Mal konnte nun Josef Aschbacher gewonnen werden – und er hielt eine außergewöhnliche Rede: motivierend, mitreißend und spannend. Die Zuhörer*innen waren fasziniert vom erstaunlichen und in vielerlei Hinsicht inspirierenden Lebensweg Aschbachers.

Josef Aschbacher ist seit 1. März 2021 Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Dies ist der krönende Höhepunkt seiner zielstrebigen Karriere bei der ESA, die 1990 am European Space Research Institute (ESRIN) in Frascati bei Rom begann. Von 1991 bis 1993 war Aschbacher dann für die ESA beim Asian Institute of Technology in Bangkok tätig, bevor er ab 1993, zurück in Europa, das berühmte Erdbeobachtungsprogramm „Copernicus“ federführend mitgestaltete. Von 2016 bis 2021 leitete er dann, nach einem siebenjährigen Aufenthalt im Headquarter der ESA in Paris, das ESRIN Institut. Aschbacher studierte Meteorologie und Geophysik an der Universität Innsbruck und promovierte auch dort.

Aschbachers außergewöhnlicher Lebensweg startete in der Bergregion um Ellmau – nur 3 Autostunden von Klagenfurt entfernt, wo er 1962 als Sohn einer Bergbauernfamilie geboren wurde. Damit startete auch Aschbachers Festrede, denn eine Karriere als ESA-Generaldirektor war einem Bergbauernsohn aus bescheidenen, arbeitssamen und gottesfürchtigen Verhältnissen nicht in die Wiege gelegt.

Das Leben Josef Aschbachers war eigentlich traditionell vorgezeichnet. Als ältester Sohn war er für die Hofübernahme prädestiniert – weil es immer schon so war. Schon früh war der kleine Bub wissbegierig, zumal er in der Volksschule seine deutsche Lehrerin kaum verstand. Deshalb sog er jedes geschriebene Wort zwischen Buchdeckeln in sich auf, nachts, heimlich unter der Bettdecke. Der örtliche Pfarrer, der die dörfliche Bibliothek obwaltete, konnte die Quantität des Bücherkonsums des kleinen Buben kaum fassen.

Im Juli 1969 dann das Schlüsselerlebnis: Zum ersten Mal besuchten Menschen den Mond. Der Bub konnte sich bis dahin nicht vorstellen, dass das möglich war. Nun hatte er aber ein konkretes Ziel, der Funke der Mondlandung hatte das Feuer für die Wissenschaft entfacht. Aschbacher wollte den Weltraum verstehen – und er setzte alles daran, das auch tatsächlich zu schaffen: Er wurde zum Musterschüler, in Mathematik und Physik war er herausragend.

Als es an das Ende der Pflichtschulzeit ging, war für seinen Lehrer und Aschbacher selbst klar, dass er einen anderen Lebensweg als den Vorgezeichneten, Traditionellen einschlagen sollte. Aber das Gymnasium war im weit entfernten Innsbruck und die Eltern hatten nach wie vor andere Pläne für den Sohn – weil es immer schon so war.  Alle Überredungskünste des Lehrers und Aschbachers halfen nichts, die Eltern wollten, dass er den gleichen Weg wie seine Vorfahren beschritt. Bis ein Kunstgriff Aschbachers den Durchbruch brachte. Er bedeutete seinem Vater, dass er, wenn er auf das Gymnasium ginge, später auch Theologie studieren könne. Dies war für den gläubigen Vater akzeptabel und Aschbacher konnte seine Schulbildung im Internat im fernen Innsbruck fortsetzen. Die Bedingungen des Vaters, nämlich dass sich Aschbacher immer für die beiden Stipendien qualifizieren müsse, das Schulstipendium und das Wohnstipendium, erfüllte er mit Bravour. Er nahm alle möglichen Jobs an, um sich über Wasser zu halten: Er war Portier, Bartender, und er reparierte alte Autos.

Nach der Matura studierte er dann – nicht Theologie, sondern Meteorologie und Geophysik. Darauf folgte die Dissertation. Der kindliche Entschluss, zu ergründen, was es mit den Menschen auf dem Mond auf sich hatte, begleitete ihn noch immer: Aschbacher hatte das erklärte Ziel, bei der Europäischen Weltraumorganisation zu arbeiten. Sein Dissertationsbetreuer organisierte ein Treffen mit ESA-Vertretern in Alpbach, und dann ging alles ganz schnell: Aschbacher bekam das Angebot, nach einer kurzen Traineezeit in Frascati für die ESA nach Bangkok zu gehen, seine Bedenkzeit war nur eine Nacht. Die Nacht brauchte er gar nicht, er entschied noch in derselben Stunde. Er nahm das einmalige Angebot postwendend an und machte Karriere bei der ESA. Als Bergbauernsohn aus Ellmau, der sich nicht mit dem zufrieden gab, was immer schon so war.

Die gesamte Festrede Josef Aschbachers auf Video finden Sie hier.