Anke Bosse | Foto: aau/Romy Müller

Anke Bosse ist neue Leiterin des Robert Musils-Instituts

Die deutsche Literaturwissenschaftlerin Anke Bosse hat mit 1. Oktober die Professur Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik an der Alpen-Adria-Universität angetreten. Parallel dazu leitet sie das Robert Musil-Institut für Literaturforschung – Kärntner Literaturarchiv.

„Ich freue mich auf diese neue Aufgabe, denn das Robert Musil-Institut ist ein ganz besonderes Institut und konnte nur durch das Zusammenwirken von Universität, Stadt und Land gegründet werden“, sagte Anke Bosse bei der Vorstellung ihrer Pläne auf der Pressekonferenz vom 18. November, die im Robert Musil-Institut stattfand. „Wir werden unsere Kooperationen mit Kulturinstitutionen in Klagenfurt, in Kärnten, überregional im Alpen-Adria-Raum und international intensivieren“, erklärt Bosse. Dafür will sie ihr umfangreiches internationales Netzwerk nutzen. In ihrer Funktion als Leiterin des Robert Musils-Instituts möchte sie die Kooperation mit der Universität und dem Institut für Germanistik weiter vertiefen.

Interaktive Formate
Neben den bewährten AutorInnenlesungen und Veranstaltungen wird das Institut verstärkt neue Formate anbieten, die Literatur mit Musik, Kunst und Film kombinieren. „Wir möchten AutorInnen einladen, über ihr aktuelles Schreiben zu sprechen, also über Bücher, die gerade im Entstehen sind“, sagt Bosse, die einen großen Fokus auf interaktive Veranstaltungen legen möchte. Im neuen Format „Mein Buch“ werden Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Politik zu einem Gespräch über ein, zwei Bücher eingeladen, die für sie prägend waren. Den Auftakt dazu macht Landeshauptmann Peter Kaiser am 19. Jänner 2016.

Studierende und WissenschaftlerInnen sollen verstärkt in die Aktivitäten des Robert Musil-Instituts eingebettet werden, Studierende beispielsweise sollen zertifizierte Praktika am Institut absolvieren können.

Gemeinsam mit Heimo Strempfl vom Musil-Museum soll ein neues Leitsystem (innen) und eine neue Beschilderung (außen) entwickelt werden. „Das Musil-Haus soll noch klarer als die Anlaufstelle für Literatur, ihre Vermittlung und Erforschung erkennbar sein“, so Anke Bosse.

Und weitere Pläne für die Zukunft: Nächstes Jahr wird die Tagung „Literatur jetzt“ ausgerichtet und eine 10-bändige Robert Musil-Leseausgabe angegangen (Fertigstellung 2022). In direktem Bezug zu dieser wird parallel ein Musil Online-Portal lanciert, das „interaktiv und international in mehreren Sprachen funktionieren“ und ein wesentlicher Beitrag zur Open-Access-Politik der AAU sein soll.

Interdisziplinäre Verschränkung
Alice Pechriggl, Prodekanin der Fakultät für Kulturwissenschaften, ist davon überzeugt, dass die Zugehörigkeit zur Fakultät das wissenschaftliche Profil und die Beteiligung des Instituts an der universitären Lehre stärker betonen wird. „Mit der Eingliederung wird es vor allem eine Vertiefung und Vervielfältigung im Bereich Germanistik sowie eine bessere interdisziplinäre Verschränkung an der Fakultät geben“, so Pechriggl. Das Musil Online-Portal ist für Pechriggl ein „phantastisches Beispiel für demokratiefördernden Wissenstransfer, da Wissen für alle frei zugänglich veröffentlicht wird.“

Kärntens „Literaturherz“
Kulturlandesrat Christian Benger betont: „Als Kulturreferent des Landes Kärnten sehe ich es als kulturelle Verpflichtung, den Fortbestand von namhaften und wichtigen Einrichtungen, so wie das Robert Musil Haus, für unser Literaturland zu sichern“. Für ihn hat Kärnten ein „starkes Literaturherz“, das auch entsprechend zu würdigen ist.

Zur Person
Anke Bosse, geboren 1961 in Hannover, studierte Germanistik, Komparatistik sowie Romanistik in Göttingen, Avignon und München. 1988 wurde sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und hat sich seither spezialisiert auf die Erschließung von literarischen Vor- und Nachlässen und auf deren Edition. Sie war in dieser Zeit Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes und des Bayerischen Hochbegabtenprogramms.
1993 wechselte sie als Hochschulassistentin an das Departement für deutsche Sprache und Literatur der Universität Genf in der Schweiz, wo sie 1996 eine Thèse d’état vorlegte und die Lehrbefugnis für Neuere deutschsprachige Literatur erhielt.

Von 1989 bis 1999 arbeitete die deutsche Literaturwissenschaftlerin an der Neuausgabe des West-östlichen Divans mit, die für die beiden heute maßgeblichen Goethe-Gesamtausgaben erstellt wurde (Frankfurter Ausgabe im Deutschen Klassiker Verlag und Münchner Ausgabe im Hanser Verlag). Ihre eigene Monographie, „Meine Schatzkammer füllt sich täglich …“. Die Nachlassstücke zu Goethes ‚West-östlichem Divan‘. Dokumentation – Kommentar (2 Bde., 1.252 S.) ist ein Referenzwerk für Edition und Archiv geworden. Bis heute hat Anke Bosse über 120 wissenschaftliche Publikationen vorgelegt.
1997 folgte sie einem Ruf auf den Lehrstuhl für Germanistik und Komparatistik an der Universität Namur in Belgien.

Von 1997 bis 2010 war Anke Bosse Direktorin des Instituts für Germanistik an der Universität Namur und hatte dort bis Oktober 2015 diverse universitäre Leitungsfunktionen inne (Präsidentin der ProfessorInnenschaft, Mitglied im Forschungsrat und in der Generalversammlung u.v.m.). Seit 2008 ist sie Ordinaria.

2000-2015 war sie im Vorstand des Belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverbands und zudem Chefredakteurin der Germanistischen Mitteilungen (Universitätsverlag Winter, Heidelberg).
Sie ist Gutachterin für den FWF, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, den Schweizer, Luxemburgischen und Kanadischen Nationalfonds als auch für die beiden Belgischen Nationalfonds FNRS und FWO.

2012 optierte sie der Schweizer Nationalfonds in Academia.Net – ProfilesofLeading Women Scientists – als erste Wissenschaftlerin Belgiens.
Mehrfach war Anke Bosse in der Endauswahl für exponierte Leitungsfunktionen – etwa für die Leitung des Deutschen Literaturarchivs Marbach oder des Goethemuseums Düsseldorf – verzichtete jedoch wegen Unvereinbarkeit mit dem Privatleben.
Seit 2006 ist sie mit dem Klagenfurter Architekten Dietmar Kaden verheiratet.

Zum 1. Oktober 2015 folgte Anke Bosse dem Ruf an die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt: Parallel zu ihrem Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Fakultät für Kulturwissenschaften leitet sie nun das Robert Musil-Institut für Literaturforschung – Kärntner Literaturarchiv.

In ihrer Forschung und Lehre beschäftigt sich Anke Bosse mit der Literatur des 18. bis 21. Jahrhunderts, insbesondere mit der Goethe-Zeit und der österreichischen Gegenwartsliteratur (Bernhard, Handke, Haushofer, Kofler, Mayröcker u. a.). Diese und ihre Spezialgebiete Archiv und Edition, Critique génétique und Schreibforschung, (inter-)mediale Fragestellungen im digitalen Zeitalter sowie die Digital Humanities werden die nähere Zukunft des Musil-Instituts prägen.